VPT Magazin 2022; 08(05): 22-23
DOI: 10.1055/s-0042-1755827
Patienten-Info

Üben bei Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen

Liebe Patientin,
lieber Patient, wenn Sie unter einer Ataxie leiden, haben Sie Probleme bei der Kontrolle Ihrer Bewegungen und Ihrer Haltung.
Sicheres Stehen und Hantieren sind oft schwierig. Das bereitet Unsicherheit und Sorge, weshalb viele Betroffene immer mehr Bewegungen und Handlungen im Stehen vermeiden. Wir möchten Sie ermutigen, trotz der
Koordinationsstörungen zu üben, denn der Nichtgebrauch von Bewegung führt zu einer zusätzlichen Verschlechterung Ihrer Bewegungskontrolle. Mindestens diesen Verlust können Sie durch koordinative Therapie zurückgewinnen!

Üben Sie daher auch zu Hause! Sie nutzen damit die Chance, die in der Plastizität des Gehirns liegt:
Nicht betroffene Hirnareale können lernen, Aufgaben der betroffenen Gebiete zu übernehmen.

In der koordinativen Physiotherapie trainieren Sie mit vielen Wiederholungen koordinativ anspruchsvolle Aufgaben.

Lassen Sie unkontrollierte Bewegungen zu!

Bewegen Sie sich vielseitig. Lassen Sie überschießende Bewegungen zu. Durch Wiederholung werden Sie die Bewegungen immer besser kontrollieren können.

Ein Vermeiden fahriger Bewegungen führt zum Verlernen von Kontrolle. Durch Zulassen der unkontrollierten Bewegungen fordern Sie Ihr Gehirn auf, Lösungen zu finden und Koordination wiederzuerlernen. Natürlich ist es eine besondere Herausforderung, die fahrig wirkenden Bewegungen auszuhalten und so oft zu wiederholen, bis die Kontrolle besser wird. Wiederholen Sie bei Aufgaben, die Sie besonders herausfordern selbstverstärkende Sätze wie „Ich gehe sicher“ oder „Ich bleibe ruhig“. Ändern Sie Ihr Bewegungsverhalten und übernehmen Sie die neu erlernten Fähigkeiten in Ihren Alltag.

Üben Sie täglich!

Üben Sie täglich 1- bis 2-mal für etwa 30 Minuten. Legen Sie Zeiten fest, zu denen Sie üben. Nehmen Sie koordinativ anspruchsvolle Aufgaben des Alltags wahr. Bereiten Sie einen Gurkensalat zu, schreiben Sie Briefe, tragen Sie ein Wasserglas zum Ess-tisch, gehen Sie jeden Tag nach draußen. Notieren Sie in einem Trainingstagebuch Ihren Übungsfleiß und Ihre Fortschritte.

Sturzrisiko verringern!

Wählen Sie Übungen, die Ihre Balance im Stand und beim Gehen herausfordern. Verbessert sich die Koordination, nimmt das Sturzrisiko ab.


Üben Sie beispielsweise Kreuzschritte ([ Abb. 1 ]) oder jonglieren Sie mit Jonglierbällen ([ Abb. 2 ]): eine große Herausforderung, die Ihr Gleichgewicht und Ihre Bewegungskontrolle fordert und fördert.

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Bei Koordinationsstörungen ausgerechnet Jonglieren als Therapie vorzuschlagen, mag zunächst unrealistisch erscheinen. Die Erfolge der koordinativen Therapie bei Ataxie zeigen jedoch, dass Jonglieren als koordinative Herausforderung sehr gut geeignet und hervorragend dosierbar ist. Außerdem macht Ihnen das Werfen und Fangen von Bällen sicher Spaß.

Üben Sie auch im Vierfüßlerstand

Die folgende Übung zeigt eine Koordinationsübung im Vierfüßlerstand ([ Abb. 3 a/b ]). Sie üben mit einer im Vergleich zum Stand großen und sichereren Unterstützungsfläche.
Bewegen Sie Ellenbogen und Knie diagonal unter dem Körper aufeinander zu ([ Abb. 3 a ]) und strecken Sie dann den Arm und das Bein weit aus ([ Abb. 3 b ]).

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(Quelle: Brötz D. Übungen in der Neurorehabilitation 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2022. Fotos: © Doris Brötz)


Publication History

Article published online:
09 August 2022

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