Z Gastroenterol 2022; 60(08): e440
DOI: 10.1055/s-0042-1754630
Abstracts | DGVS/DGAV
Dünndarm, Dickdarm, Proktologie
Dünn- und Dickdarm: Varia
Freitag, 16. September 2022, 10:55 – 12:22, Saal 5

Adhärenz von Zöliakie-Leitlinien – Analyse aus dem deutschen Zöliakie-Registers (GeCeR)

M Schumann
1   Charite – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Gastroenterologie, Berlin, Deutschland
,
S Koletzko
2   Dr. von Hauner Kinderspital, München, Deutschland
,
M Stepath
3   Kompetenznetz Darmerkrankungen, Kiel, Deutschland
,
R di Giuseppe
3   Kompetenznetz Darmerkrankungen, Kiel, Deutschland
,
S Franzenburg
3   Kompetenznetz Darmerkrankungen, Kiel, Deutschland
,
M Blömacher
3   Kompetenznetz Darmerkrankungen, Kiel, Deutschland
,
S Plachta-Danielzik
3   Kompetenznetz Darmerkrankungen, Kiel, Deutschland
,
B Bokemeyer
3   Kompetenznetz Darmerkrankungen, Kiel, Deutschland
4   Interdisziplinäres Crohn Colitis Centrum, Minden, Deutschland
,
S Baas
5   Deutsche Zöliakie Gesellschaft DZG e.V., Stuttgart, Deutschland
,
D Schuppan
6   Institut für Translationale Immunologie, Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz, Deutschland
7   Div. of Gastroenterology, Beth Israel Diaconess, Medical Center, Harvard Medical School, Boston, Vereinigte Staaten
› Author Affiliations
 

Einleitung Die aktuelle Zöliakie-Leitlinie der DGVS fordert den Nachweis von Gewebstransglutaminase-IgA-Antikörpern (TGA) oder Endomysium-IgA-Antikörpern (EMA) und eine Marsh-2/3-Läsion. Seit 2012 erlaubt die ESPGHAN-Leitlinie die Diagnose ohne Biopsie bei Kindern (<18 Jahre), wenn TGA>10x ULN und EMA positiv in zwei Blutproben sind. Wir haben patientenberichtete und ärztlich dokumentierte Daten zur diagnostischen Abklärung aus dem Deutschen Zöliakie-Register hinsichtlich der Durchführung einer leitlinienkonformen Diagnosestellung analysiert.

Methodik Im deutschen Zöliakie-Register (GeCeR) werden Selbstauskünfte von Zöliakie-Patienten erfasst. Die Patienten erhielten zudem einen Fragebogen zur diagnostischen Abklärung, der von ihrem Arzt ausgefüllt wurde. Die Teilnehmer wurden nach Auswertung Gruppen zugeordnet: (G1) Zöliakie-Diagnose im Alter>18 Jahre vor oder (G2) nach 2012 oder (G3) im Alter<18 Jahre vor oder nach 2012 (G4). Auf Grundlage der Selbstauskünfte wurde die Wahrscheinlichkeit einer leitlinienkonformen Diagnose klassifiziert: Sehr wahrscheinlich, wahrscheinlich, unklar oder unwahrscheinlich. Anhand der Arztangaben wurde die Zöliakie-Diagnose als leitlinienkonform, unsicher oder nicht leitlinienkonform kategorisiert.

Resultate Von 11/2019 bis 10/2021 wurden 3282 Teilnehmer eingeschlossen, von denen 2335 (71,1%) den Basisfragebogen beantworteten; 2260 machten Angaben zur diagnostischen Abklärung. Von 672/2260 (29,7%) Patienten lagen ausgefüllte Arztbögen vor, davon 562 mit Selbstauskünften zur diagnostischen Abklärung, Alter und Diagnosedatum. 75,2% Frauen, medianes Alter 36,6 Jahre (IQR 43,3; min-max: 2-93); Alter bei Diagnose 28,3 (IQR 37,7; min-max: 1-78); Diagnosejahr zwischen 1965 und 2020. In G4 wurden 29,3% (56/197) ohne Biopsie diagnostiziert, obwohl 68% TGA-IgA>10xULN aufwiesen. Der Prozentsatz der leitlinienkonformen Diagnosen nahm im Laufe der Zeit zu und war bei pädiatrischen höher als bei erwachsenen Patienten (Tabelle).

Ein IgA-Mangel wurde bei 13 (3,8%) der 340 Teilnehmer festgestellt. Die TGA-Werte bei Diagnose lagen bei 386/562 Teilnehmern vor. Der Anteil der Teilnehmer mit einem ULN von>10x nahm mit dem Alter ab (74%, 72%, 55%, 52% und 47% für die Altersgruppen<10, 10-20, 20-30, 30-40 bzw.>40 Jahre).

Bei der Untergruppe, die ärztliche Formulare einreichten (n=562), fand sich bei den erwachsenen Teilnehmern eine höhere Wahrscheinlichkeit einer korrekten Diagnose im Vergleich zur Gesamtkohorte (n=2260, p=0,006), was auf ein positives Selektionsbias hinweist. Dieser Unterschied zeigte sich bei der Gruppe<18 Jahre nicht.

Schlussfolgerungen In den letzten 10 Jahren wurde die Diagnose bei mindestens 28% der erwachsenen und 15% der pädiatrischen Zöliakiepatienten in unserem Zöliakie-Register nicht gemäß der Zöliakie-Leitlinien gestellt. Eine weitere Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung in Deutschland sollte bei dieser lebenslangen Erkrankung angestrebt werden.

Alter bei Diagnose

> 18 Jahre (n=333)

<18 Jahre (n=229)

Jahr der Diagnose (Gruppe)

<2012 (G1)

> 2012 (G2)

<2012 (G3)

> 2012 (G4)

n

143

190

32

197

Medianes Alter (IQR; min-max)

58.1 (12.7; 27-93)

46.0 (18.5; 19-82)

16.9 (7.5; 11-67)

9.3 (6.1; 2-23)

Alter bei Diagnose (IQR; min-max)

42.7 (11.8; 19-71)

41.9 (18; 18-78)

4.3 (4.9; 1-14)

5.8 (6.1; 1-17)

Jahr der Diagnose (min-max)

1978-2011

2012-2020

1965-2011

2012-2020

Diagnose nach Zöliakie-Leitlinien*

Konform

30.1%

62.6%

68.7%

84.3%

Unklar

23.8%

9.5%

12.5%

0.5%

Nicht konform

46.1%

27.9%

18.8%

15.2%



Publication History

Article published online:
19 August 2022

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