Zeitschrift für Palliativmedizin 2022; 23(05): e52-e53
DOI: 10.1055/s-0042-1754144
Abstracts | DGP
Freie Themen

„Ich bin [...] im Gefängnis, sag ich mal, weil ich nicht mehr wegreisen kann“ – COVID-19 und im häuslichen Umfeld pflegende Nahestehende

J Strupp
1   Universitätsklinikum Köln (AöR), Zentrum für Palliativmedizin, Köln, Deutschland
,
A Kasdorf
1   Universitätsklinikum Köln (AöR), Zentrum für Palliativmedizin, Köln, Deutschland
,
R Voltz
1   Universitätsklinikum Köln (AöR), Zentrum für Palliativmedizin, Köln, Deutschland
2   Universität zu Köln, Centrum für Integrierte Onkologie Aachen, Bonn, Köln, Düsseldorf (CIO ABCD), Köln, Deutschland
3   Universität zu Köln, Zentrum für klinische Studien (ZKS), Köln, Deutschland
4   Universität zu Köln, Zentrum für Versorgungsforschung Köln (ZVFK), Köln, Deutschland
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Hintergrund

Der Anteil der Verstorbenen zu Hause ist, verglichen mit Sterbefällen im Krankenhaus, seit Jahren deutlich niedriger. Aktuelle Zahlen belegen jedoch, dass es seit der COVID-19-Pandemie zu einer Zunahme an Sterbefällen im häuslichen Umfeld gekommen ist. Studien zufolge war die Pandemiesituation für eine Versorgung zu Hause teilweise sogar vorteilhaft und ermöglichte, mehr Zeit mit dem erkrankten Angehörigen zu verbringen. Pflegende Nahestehenden waren bereits vor der Pandemie mit vielen Belastungen konfrontiert. Es ist erforderlich, die Rolle der Pandemie auf die Umsetzung einer häuslichen Pflege am Lebensende zu klären.

Methode Semi-strukturierte Interviews mit Nahestehenden von Verstorbenen (im Krankenhaus oder zu Hause), pflegenden Nahestehenden sowie aktuell schwer und unheilbar erkrankten Personen (n=17) im Rahmen des BMFSFJ-geförderten Projekts „Sterben zu Hause“. Die Analyse der verbatim transkribierten Interviews erfolgte mithilfe von MAXQDA.

Ergebnisse Ein „gutes Sterben“ wird von Befragten mit einem Versterben „Nicht im Krankenhaus“ assoziiert. Die genannten Gründe dafür sind unter anderem: Lärm und Unruhe, fehlende Privatsphäre, lange Anreise zum Krankenhaus. Die Pandemie wird hierbei als einer von vielen Faktoren genannt, die zu einem Sterben zu Hause geführt haben. Die Befragten, die einen (ungeplanten) Krankenhausaufenthalt in der Pandemiezeit erlebt haben, fühlten sich durch diese Erfahrung in ihrer Entscheidung bestärkt, eine Versorgung und Begleitung zu Hause zu ermöglichen.

Zu den größten pandemisch bedingten Belastungen der Pflegenden ließen sich folgende Kategorien identifizieren: Angst vor Isolation (insbesondere für pflegende Nahestehende, die nicht im Haushalt der gepflegten Person leben, Besuchseinschränkungen), Schutzbedürfnis vor Infektion, Angst vor fehlendem/eingeschränktem Abschied, sowie ein stark ausgeprägter Entlastungswunsch und „respite support“.

Schlussfolgerung Die Pandemie hat die Entscheidung für eine häusliche Pflege nur bedingt beeinflusst, sie hat jedoch ihre Komplexität erhöht. So sind zusätzliche Belastungen durch pandemiebedingte Einschränkungen hinzugekommen: die Kontaktreduktion als Infektionsschutz, die zu einer erschwerten Situation und sozialer Isolation geführt hat. Spezifische Angebote für Betroffene und Nahestehende sollten sich an Handlungsempfehlungen (siehe Projekt PallPan) orientieren und Angehörige in Entscheidungssituationen, die zu emotionalen Belastungen führen können, unterstützen.



Publication History

Article published online:
31 August 2022

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