Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0042-1753831
„Es war ein Monsterakt“, „…das ist gnadenlos, wo wir stehen“, „Wir sind ja durch die Hölle schon einmal gegangen“ – Bebilderte Erfahrungen des Pandemiemanagements von Intensivmedizinerinnen in deutschen Krankenhäusern – eine Metaphernanalyse
Einleitung Im Sprechen über die COVID-19-Pandemie wurden in Politik und Medien eine Vielzahl von metaphorischen Konzepten verwendet, die auch in alltagssprachliche Kontexte integriert wurden. Wenig bekannt ist, wie metaphorisches Sprechen in Zusammenhang mit dem Pandemiemanagement von Gesundheitsprofessionellen mit Leitungsverantwortung in der unmittelbaren Versorgung von COVID-19-Patient:innen steht.In einer qualitativen Fallstudie mit drei Intensivmedizinier:innen untersuchten wir, wie sich das Pandemiemanagement im ersten Pandemiejahr in Sprachbildern manifestiert. Uns interessierte, (1) welche metaphorischen Konzepte sie verwenden, um Erfahrungen und Strategien im Umgang mit den pandemischen Bedingungen auszudrücken, (2) wie diese sich im Verlauf verändern und (3) wie mit dem Gebrauch von Metaphern Selbstbilder des Krisenmanagements konstruiert werden.
Methoden Aus den Daten einer qualitativen Studie, in der zwischen April 2020 und März 2021 zu zwei Zeitpunkten 24 Fachkräfte der Intensivversorgung aus unterschiedlichen Bundesländern interviewt wurden, wählten wir drei Fälle (Intensivmediziner:innen in Leitungspositionen) aus, an denen wir eine systematische Metaphernanalyse nach Schmitt (2018) durchführten.
Ergebnisse Mediziner:innen der Fallstudie übernahmen etablierte Pandemiemetaphern aus Politik und Medien der Quellbereiche Krieg, Abenteuer, Naturkatastrophe und historisches Ereignis, um Erfahrungen und Maßnahmen ihres Pandemiemanagements (Zielbereich) darzustellen. Die Verwendung von Sprachbildern veränderte sich im Pandemieverlauf. Die Interviewten nutzten im ersten Interview u.a. Metaphern des Konstruierens („aufbauen“, „hochziehen“, „herunterfahren“) und des Widerstandes („nur so hat es überhaupt funktioniert das zu bekämpfen“). Im Follow-Up-Interview nahmen Bilder von Aktivität und Bewegung ab, während sich dystopisierende Metaphern verstärkten („Wir sind ja durch die Hölle schon einmal gegangen“). Die metaphorischen Konzepte waren Ausgangspunkt für eine Rekonstruktion von Selbstbildern zum Pandemiemanagement von Intensivmediziner:innen, wie z.B. die Figur der:s Soldat:in, des:r Handwerker:in oder des Vaters/der Mutter.
Schlussfolgerung Die metaphorische Sprache der Intensivmediziner:innen dient als Wiedergabe- und Bewältigungsmedium komplexer und ambivalenter Erfahrungen und verdeutlicht Veränderungen im Krisenerleben und -handeln innerhalb kurzer Zeit. Die Abnahme metaphorischer Konzepte in den Interviews verweist auf eine erfolgte Anpassung an die Dynamik der Situation sowie der Einstellung von Routine in der beruflichen Praxis. Die Veränderung sprachlicher Bilder zur eigenen Rolle als Leitungsperson deutet auf eine hohe Belastung durch anhaltendes Pandemiegeschehen hin. Diese Beobachtung sollte mit Blick auf die Personalsituation im stationären Bereich bei möglichen Reformen für eine post-pandemische Gesundheitsversorgung berücksichtigt werden.
Publication History
Article published online:
22 August 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart,
Germany