Geburtshilfe Frauenheilkd 2022; 82(06): S52-S53
DOI: 10.1055/s-0042-1750245
Abstracts | OEGGG

Humanmilch-Oligosaccharide im Fruchtwasser – eine Möglichkeit zur Optimierung der Behandlung von Frühgeborenen?

E Jantscher-Krenn
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Universität Graz, Graz
,
L von Schirnding
2   Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Eltern-Kind-Zentrum (ELKI), Universitätsklinikum Bonn, Bonn
,
M Trötzmüller
3   Core Facility Massenspektrometrie, Zentrum für Medizinische Forschung, Medizinische Universität Graz, Graz
,
H Köfeler
3   Core Facility Massenspektrometrie, Zentrum für Medizinische Forschung, Medizinische Universität Graz, Graz
,
H Fluhr
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Universität Graz, Graz
,
A Müller
2   Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Eltern-Kind-Zentrum (ELKI), Universitätsklinikum Bonn, Bonn
,
S Bagci
2   Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Eltern-Kind-Zentrum (ELKI), Universitätsklinikum Bonn, Bonn
› Author Affiliations
 

Einleitung Humanmilch-Oligosaccharide (HMO), komplexe Glykane in der Muttermilch, sind bereits früh in der Schwangerschaft im mütterlichen Blut und Harn nachweisbar und verändern sich in ihrer Zusammensetzung mit dem Schwangerschaftsalter [1]. Sie gelangen auch in das fetale Kompartiment und sind im Nabelschnurblut von Termingeborenen und Frühgeborenen vorhanden [2]. Es gibt jedoch keine Daten über HMO im Fruchtwasser (FW) während der Schwangerschaft. Wir stellten die Hypothese auf, dass Fruchtwasser als Äquivalent zur humanen Milch in der Fetalperiode ein breites Spektrum verschiedener HMO enthält. Ziel war es, die individuelle Varianz der HMO im FW zu charakterisieren und mögliche Veränderungen mit dem Gestationsalter zu untersuchen.

Material und Methodik Fruchtwasser wurde während diagnostischen Amniozentesen, fetaler Operationen oder Kaiserschnittentbindungen von 77 Frauen (mittleres Alter, 33,5 (19-47) Jahre, und mittleres Gestationsalter 34 (14,3-40,9) Wochen) entnommen. Nach Aufreinigung der Gykane, wurden die Proben mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie mit Fluoreszenzdetektion auf Laktose und HMO analysiert.

Ergebnisse Die HPLC-Analyse der FW-Proben ergab das Vorhandensein von bis zu 16 verschiedenen HMO, darunter 2′-Fukosyllaktose (2’FL), 3′-Sialyllaktose (3′SL), LDFT, 6′-Sialyllaktose (6′SL), die alle bereits im mütterlichen Serum während der Schwangerschaft nachgewiesen wurden. Wir identifizierten auch zwei Laktosamine, 3′SLN und 6′SLN, Oligosaccharide, die auch im Serum, nicht aber in Muttermilch gefunden werden. Laktose und HMOs waren in allen untersuchten FW-Proben nachweisbar. Die Konzentrationen der meisten HMO Strukturen und deren Gesamtkonzentration stiegen von der Früh- bis zur Spätschwangerschaft signifikant an. Auch die HMO-Zusammensetzung änderte sich im Laufe der Schwangerschaft signifikant, wobei der Anteil von 2'FL am stärksten stieg (von 6,7 % auf 12,5 % und 21,0 %).

Zusammenfassung Unsere Studie hat gezeigt, dass viele HMO Strukturen, die zuvor auch im mütterlichen Serum oder Harn sowie im Nabelschnurblut gefunden wurden, bereits im späten ersten bzw. Anfang des zweiten Trimenons im FW vorhanden sind. Diese Ergebnisse zeigen, dass der Fötus in utero mit einer Vielzahl von HMO-Strukturen in Kontakt kommt, was darauf hindeutet, dass HMO wichtige Faktoren für die fötale (gastrointestinale) Entwicklung sind. Diese Erkenntnis könnte besonders wertvoll für die künftige Behandlung von Frühgeborenen sein, denen dieser umfassende Kontakt mit HMOs sonst verwehrt bleibt.



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Article published online:
10 June 2022

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