Ultraschall Med 2022; 43(S 01): S28
DOI: 10.1055/s-0042-1749558
Abstracts
Pränatalmedizin

Konzeption unter oraler Aknetherapie mit Isotretinoin – eine Herausforderung für die Pränataldiagnostik

Wolfgang Paulus
1   Universitätsfrauenklinik Ulm
,
Krisztian Lato
1   Universitätsfrauenklinik Ulm
,
Ulrike Friebe-Hoffmann
1   Universitätsfrauenklinik Ulm
,
Wolfgang Janni
1   Universitätsfrauenklinik Ulm
› Author Affiliations
 

Fragestellung Isotretinoin wird als synthetisches Derivat des Vitamin A seit über 30 Jahren erfolgreich zur systemischen Behandlung der Akne eingesetzt. Bis zu vier Wochen nach Absetzen der Therapie soll für eine sichere Kontrazeption gesorgt werden, da die Retinoide nach Thalidomid die am stärksten teratogenen Wirkstoffe darstellen. Unter dem Retinoidsyndrom werden Störungen der Gesichts- und Gaumenbildung, kardiovaskuläre Defekte, ZNS-Anomalien mit neurologischen Ausfällen sowie Schäden an Augen und Ohren zusammengefasst. Trotz aller Aufklärungsmaßnahmen treten bei Versagen der Kontrazeption immer wieder Schwangerschaften unter Einnahme von Isotretinoin ein.

Methodik Im Rahmen einer prospektiven Followup-Studie wurden von unserer Pharmakovigilanz- und Beratungsstelle zwischen 1993 und 2018 84 Schwangerschaften erfasst, die unter oraler Therapie mit Isotretinoin in Tagesdosen zwischen 2,5 und 80 mg (Median: 20 mg/d) eingetreten waren. Nach Feststellung der ungeplanten Schwangerschaften wurde unser Zentrum von den betreuenden Fachärzten im Hinblick auf teratogene Risiken kontaktiert.

Ergebnisse Da in den Fachinformationen ein therapiefreies Intervall von mindestens vier Wochen vor Konzeption gefordert wird, entschieden sich 58 Patientinnen (58/84=69,0%) aus Angst vor Fehlbildungen zum frühzeitigen Abbruch der Schwangerschaft. Unter den verbliebenen 26 Schwangerschaften trat in neun Fällen ein Spontanabort im ersten Trimenon ein (9/26=34,6%). Eine Schwangerschaft unter einer maternalen Tagesdosis von 20 mg Isotretinoin wurde erst in der 20.SSW diagnostiziert, da die Patientin bei kontinuierlicher Einnahme eines oralen Ovulationshemmers von einer sicheren Kontrazeption ausgegangen war. Im Rahmen der sonographischen Fehlbildungsdiagnostik zeigte sich eine Kleinhirnwurmaplasie, die zum späten Abbruch der Schwangerschaft veranlasste. Unter den 17 ausgetragenen Schwangerschaften wurden ausschließlich gesunde Neugeborene registriert, die zumindest innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten nach Geburt keine Auffälligkeiten zeigten. In diesen Fällen hatten die Schwangeren eine Tagesdosis zwischen 2,5 und 40 mg (Median 20 mg/d) bis SSW 5/0 im Median (Therapieende: zwischen Konzeption und SSW 11/0) eingenommen.

Schlussfolgerung Trotz ausführlicher Aufklärung über die bekannten Risiken einer Schwangerschaft unter oraler Aknetherapie mit Isotretinoin versagt das Schwangerschaftsverhütungsprogramm immer wieder. Bei perikonzeptionellem Absetzen der Behandlung scheint sich jedoch das teratogene Risiko in moderaten Grenzen zu halten. Allerdings lässt sich eine fetale Schädigung durch sonographische Fehlbildungsdiagnostik nur teilweise erkennen.



Publication History

Article published online:
20 June 2022

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