Ultraschall Med 2022; 43(S 01): S26
DOI: 10.1055/s-0042-1749551
Abstracts
Pränatalmedizin

Translokationstrisomie 21 mit Isochromosom: unerwartete Diagnose bei atypischen sonografischen Befunden und unauffälligem NIPT

Chiara De Santis
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Münster
,
Daniela Willy
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Münster
,
Kathrin Oelmeier
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Münster
,
Ralf Schmitz
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Münster
,
Andreas Busche
2   Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Münster
,
Albrecht Röpke
2   Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Münster
,
Mareike Möllers
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung Wir berichten über den Fall einer dichorialen diamnioten Geminigravidität mit einem sonografisch auffälligen Feten, bei dem im Verlauf nach einem unauffälligen Nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) in der Amniozentese eine Translokationstrisomie 21 mit einem Isochromosom nachgewiesen wurde.

Die 33-jährige G3P1 (Z.n. Sectio, Z.n. Abort) stellte sich zur Mitbetreuung in der 14+5 Schwangerschaftswoche (SSW) nach auffälligem Ersttrimesterscreening beim zweiten Feten bei uns vor. Schon zu diesem Zeitpunkt zeigten sich beim zweiten Feten eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (LKG) beidseits, eine erweiterte Nackentransparenz (6 mm) sowie ein V.a. einen AVSD und eine singuläre Nabelschnurarterie. Eine invasive Diagnostik wurde nicht gewünscht. Der erste Fetus war – wie auch im weiteren Verlauf – sonografisch unauffällig.

Im Zweittrimesterscreening in der 21+1 SSW wurden beim zweiten Feten folgende Auffälligkeiten beschrieben: LKG beidseits, Finger in fixierter Fausthaltung, ein Fallot-ähnliches Vitium cordis (hochsitzender Ventrikelseptumdefekt, ein prominentes, überreitendes Gefäß (Aorta), mit noch nicht sicher darstellbarer, dahinter liegender, schmaler Pulmonalarterie) sowie die bekannte singuläre Nabelschnurarterie und eine Wachstumsretardierung. Es folgte ein ausführliches Gespräch mit der Patientin und ihrem Partner über die Befunde, die hohe Wahrscheinlichkeit für eine genetische Erkrankung und mögliche Konsequenzen. Das Paar entschied sich erneut gegen eine invasive Diagnostik zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund des Eingriffsrisikos und der möglichen Folgen für den ersten Feten. Um die drei häufigsten Trisomien mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können, wünschten sie die Durchführung eines NIPT. Dieser zeigte keinen Hinweis für eine Trisomie 21, 18 oder 13.

Für die 30. SSW wurde eine Amniozentese geplant, da zu diesem Zeitpunkt das Frühgeburts-Risiko des gesunden Feten im Falle von Komplikationen für die Eltern akzeptabel erschien. Sie konnte komplikationslos durchgeführt werden. Schon im pränatalen Schnelltest aus Fruchtwasser zeigte sich, entgegen unseren Erwartungen, eine Trisomie 21. Die Chromosomenanalyse ergab den Nachweis eines auffälligen weiblichen Chromosomensatzes mit einem Isochromosom 21 (46,XX, i(21)(q10)dn). Eine Chromsomenanalyse bei den Eltern ergab jeweils unauffällige Befunde und konnte insbesondere eine prädisponierende Chromosomentranslokation t(21;21)(q10;q10) ausschließen. Da beim Feten Auffälligkeiten vorlagen, die zwar beim Down-Syndrom vorkommen können, aber dennoch insgesamt eher untypisch sind, wurden zusätzlich eine SNP-Array-Analyse sowie eine exombasierte Einzelgenanalyse durchgeführt. Diese ergaben unauffällige Befunde.

Die Eltern entschieden sich aufgrund dieses genetischen Ergebnisses für einen selektiven Fetozid des zweiten Feten. Nach interdisziplinärer Besprechung des Falls in einer Ethik-Konferenz wurde dieser in der 32+4 SSW komplikationslos durchgeführt.

Dieser Fall zeigt, dass insbesondere bei komplexen fetalen Fehlbildungen die Durchführung einer invasiven Diagnostik zur Sicherung der genetischen Diagnose unerlässlich ist.



Publication History

Article published online:
20 June 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany