Ultraschall Med 2022; 43(S 01): S25-S26
DOI: 10.1055/s-0042-1749550
Abstracts
Pränatalmedizin

Erfolgreiches interdisziplinäres Management bei fulminantem HELLP-Syndrom mit partieller Leberruptur – ein außergewöhnlicher Fall aus einem Perinatalzentrum Level 1

Daniela Willy
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Münster
,
Ralf Schmitz
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Münster
,
Mareike Möllers
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Münster
,
Chiara De Santis
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Münster
,
Kathrin Oelmeier
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Münster
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung Die stationäre Aufnahme der Erstgravida in unserem Perinatalzentrum Level 1 erfolgte in der 38+6. Schwangerschaftswoche mit rechtsseitigen Oberbauchschmerzen und Verdacht auf HELLP-Syndrom. Die Verdachtsdiagnose konnte laborchemisch bestätigt werden. Die Patientin gab klinisch Kopfschmerzen, Oberbauchschmerzen, Übelkeit sowie Sehstörungen an.

In der Abdomensonographie zeigte sich ein ausgedehntes Leberkapselhämatom sowie wenig freie Flüssigkeit. Wir besprachen, eine zeitnahe Entbindung anzustreben, nach Rücksprache mit den Viszeralchirurgen empfahlen wir eine vaginale Entbindung und begannen eine medikamentöse Geburtseinleitung. Allerdings zeigte sich das CTG im weiteren Verlauf pathologisch, sodass eine sekundäre Sectio indiziert wurde. Die kindliche Entwicklung erfolgte komplikationslos. Das Neugeborene wurde bei moderater peripartaler Asphyxie von den Neonatologen weiterbehandelt und erhielt eine Hypothermiebehandlung. Nach der kindlichen Entwicklung zeigte sich eine massive Blutung aus dem Oberbauch. Die Viszeralchirurgen wurden hinzugezogen und entschieden sich für die Durchführung einer Laparoskopie simultan zum Verschluss des Pfannenstielschnittes. Eine eindeutige Blutungsquelle konnte nicht ausgemacht werden, es zeigte sich eine Sickerblutung von der rechten Leberkante, welche koaguliert wurde, und das bestehende Hämatom wurde ausgeräumt. Anschließend wurde die Indikation zur CT-Angiographie zur Erhebung des Gefäßstatus der Leber und ggf. Embolisation gestellt. Parallel wurde mit der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten bei nun deutlichem Hb-Abfall begonnen. In der CT zeigte sich ein massives subkapsuläres Hämatom ohne aktive Blutungsquelle, auch in der Angiographie konnte keine aktive Blutung festgestellt werden. Anschließend erfolgte die Laparotomie zur definitiven Blutstillung. Mehrere diffuse Blutungsquellen zeigten sich, es erfolgte eine partielle atypische Leberteilresektion und ein anschließendes Packing der Leber mit Bauchtüchern. Die sich stabilisierende Patientin wurde anschließend auf die Intensivstation verlegt und konnte am Folgetag extubiert werden.

Die Second Look Laparotomie wurde zwei Tage nach Entbindung durchgeführt, die Blutung aus der Leber hatte sistiert und das Abdomen konnte nun definitiv verschlossen werden. Die Patientin erholte sich von nun an rasch und konnte zwei Wochen nach Entbindung gemeinsam mit ihrem Neugeborenen entlassen werden. Die kindliche neurologische und motorische Entwicklung zeigte sich sowohl initial als auch in den Folgeuntersuchungen erfreulicherweise unauffällig.

Dieser Fall hat uns einmal mehr gezeigt, wie fulminant ein HELLP-Syndrom verlaufen kann und wie wichtig eine differenzierte Diagnostik ist. In diesem Fall war die frühzeitige sonographische Detektion des ausgedehnten Leberhämatoms wegweisend für die weiteren diagnostischen und therapeutischen Schritte. In solch komplexen Fällen sind eine interdisziplinäre Betreuung aus Geburtshelfern, Anästhesisten, Neonatologen, Radiologen und Chirurgen sowie eine permanente Evaluation der Situation und ein dynamisches Therapiemanagement entscheidend für eine optimale Patientenversorgung. Eine Behandlung in einem Haus der Maximalversorgung war für diese Patientin und ihr Neugeborenes der Schlüssel für das gute Outcome trotz des kritischen, fulminanten Verlaufes.

Mögliche Komplikationen des HELLP-Syndroms und entsprechend erforderliche Interventionen sollte man als behandelnder Arzt/Ärztin stets im Hinterkopf haben, um die immer noch hohe perinatale Mortalitätsrate des HELLP-Syndroms weiter zu reduzieren.



Publication History

Article published online:
20 June 2022

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