Gesundheitswesen 2022; 84(04): 406
DOI: 10.1055/s-0042-1746408
Abstracts | BVÖGD/BZÖG
Fachausschuss Infektionsschutz
Workshops

Einheimische und invasive Vektoren in Deutschland

Helge Kampen
1   Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Greifswald – Insel Riems, Germany
,
Doreen Werner
2   Leibniz-Zenterum für Agrarlandschaftsforschung, Müncheberg, Germany
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Globalisierung und Klimaerwärmung fördern auf vielfältige Weise das Risiko des Auftretens Vektor-assoziierter Erkrankungen in Deutschland. Gebietsfremde hämatophage Arthropoden mit Vektorpotenzial ebenso wie Vektor-übertragene Infektionserreger werden im Zuge von interkontinentalem Reiseverkehr, Tiertransport und Warenhandel zunehmend häufig eingeschleppt und können sich unter günstigen Umweltbedingungen ggf. etablieren und weiter ausbreiten. Auch einheimische Blutsauger entwickeln sich bei steigenden Temperaturen besser, erreichen höhere Populationsdichten und können zu Überträgern werden, sollten Infektionsquellen vorhanden sein. Die Entwicklung von Krankheitserregern im Vektor ist gleichermaßen temperaturabhängig und – bis zu gewissen Maximalwerten – umso schneller und effizienter, je höher die Umgebungstemperaturen sind.

Prominente Beispiele für invasive potenzielle Vektoren in Deutschland sind die Asiatische Tigermücke, ein hochkompetenter Vektor vieler Viren sowie einiger Filarien, und Zecken der Gattung Hyalomma, die als klassische Überträger des Krim-Kongo Hämorrhagischen Fiebervirus gelten. Die Tigermücke kommt bereits mit mehreren stabilen Populationen in Deutschland vor. Es wird davon ausgegangen, dass sie als Adulttier oder in Form von Eiern primär mit dem Kraftfahrzeugfernverkehr aus südeuropäischen Ländern, wo sie schon weit verbreitet ist und z.T. hohe Populationsdichten erreicht, nach Deutschland gelangt. Hyalomma-Zecken werden mit Zugvögeln aus Südeuropa oder Afrika eingetragen. Von ihnen wurden in Deutschland bisher nur Einzelexemplare, allerdings an zahlreichen Orten gefunden; eine Reproduktion scheint noch nicht stattgefunden zu haben. Im Gegensatz zu Südeuropa, wo die Tigermücke seit Jahren für zahlreiche Ausbrüche und Einzelfälle von Dengue- und Chikungunya-Fieber verantwortlich gemacht wird, konnte ihr in Deutschland noch keine Übertragung von Krankheitserregern nachgewiesen werden. Beschrieben wurde dagegen bereits ein Fall von Zeckenfleckfieber in Verbindung mit einem Hyalomma-Stich.

Weitere invasive Stechmücken- und einheimische Zeckenarten breiten sich in Deutschland aus. Grundsätzlich sind alle vektorkompetent, wenn auch nicht jede Spezies für jeden beliebigen Krankheitserreger. In Deutschland kursiert seit 2018 das West-Nil-Virus, dessen primäre Überträger einheimische Stechmücken der Gattung Culex sind. Wegen fehlender Wirtsspezifität sind bestimmte Varianten der häufigen und weit verbreiteten Hausmücke besonders geeignete Vektoren. 2020 wurde in Deutschland der erste Todesfall nach einer West-Nil-Virus-Infektion beschrieben.

Blutsaugende Arthropoden als Überträger von Krankheitserregern werden nach wie vor unterschätzt. Information, Aufklärung, adäquate Meldungsstrukturen und eine Erhöhung des Problembewusstseins in Behörden, dem ÖGD und der breiten Öffentlichkeit sind grundlegend für ein erfolgreiches Vektor- und Krankheitsmanagement und sollten zielorientierter verfolgt bzw. aufgebaut werden.

Interessenskonflikte -



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Article published online:
26 April 2022

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