Gesundheitswesen 2022; 84(04): 372-373
DOI: 10.1055/s-0042-1745500
Abstracts | BVÖGD/BZÖG
Fachausschuss Umweltmedizin
Vorträge

Gesundheitsrisiko Radon: Eine vergleichende Untersuchung der wohnraum- und personenbezogenen Exposition

Lennart Müller
,
Claudia Röhl
 

Radon ist die zweit häufigste Ursache für Lungenkrebs nach dem Rauchen1. In Europa lassen sich 2% aller Krebstodesfälle auf Radon in Innenräumen zurückführen2. In Deutschland gilt ein Referenzwert von 300 Bq/m3 für Aufenthaltsräume. Die WHO empfiehlt jedoch auch 100 Bq/m3, für die sich bereits ein zusätzliches Lebenszeitrisiko von 6 E-4 für Nichtraucher berechnen lässt, möglichst noch zu unterschreiten3. Die Kenntnis der Aktivitätskonzentration von Radon im Innenraum lässt die Frage der tatsächlichen Belastung einer Person allerdings offen. Ziel dieser Arbeit war es, Wohnräume mit höheren Radonkonzentrationen zu identifizieren und vergleichende raum- und personengebundene Messungen durchzuführen.

Die Probenahmen erfolgten im Östlichen Hügelland in Schleswig-Holstein, wo die höchsten Konzentrationen in Gebäuden zu erwarten waren (keine Ausweisung als Radonvorsorgegebiet4). Als erstes Screening wurden in Privatwohnungen zunächst Kurzzeitmessungen (24h, N=46, Aktivmessung (Saphymo AlphaE)) und bei Konzentrationen über 80 Bq/m3 Langzeitmessungen (N=19, Passivmessung (KIT)) über mindestens ein Jahr durchgeführt. Da Radon in Gebäude über den Boden eindringt, wurden nur Wohnräume mit Kontakt zum Erdreich (z.B. im Erdgeschoss ohne Keller) einbezogen. Anschließend wurden über 72h (N=7) vergleichende wohnraum- und personenbezogene Messungen durchgeführt.

Folgende mittlere Radonkonzentrationen (und Bereiche) wurden bestimmt: Kurzzeitmessungen 81 (5-281) Bq/m3. Langzeitmessungen 85 (29-185) Bq/m3, davon 6 über 100 Bq/m3. Über alle Messungen hinweg zeigten die personengebundenen Messungen mit 39 (23-67) Bq/m3 die niedrigsten Konzentrationen, die im Mittel 45% geringer als in den wohnraumbezogenen Vergleichsmessungen mit 77 (46-137) Bq/m3 waren. Die Proband:innen verbrachten im Mittel 13% des Messdauer im untersuchten Wohnraum und 7% im Freien.

Obwohl als Vergleichsräume möglichst hoch belastete Räume gewählt wurden, ergeben die personengebundenen Messungen aufgrund der überwiegenden Aufenthaltsdauer in Innenräumen nur etwa eine Reduktion der Belastung um die Hälfte. Die ermittelten Radonkonzentrationen lagen noch immer etwa um das 10 bis 20-fache oberhalb der vom BfS für den Außenbereich ermittelten Werte für Schleswig-Holstein5 von 3-6 Bq/m3. 39 Bq/m3 entsprechen gemäß WHO einem zusätzlichen Lungenkrebsrisiko von 2,3 E-4, d.h. über 1 E-4 bis 1 E-6. Radon stellt daher auch in Nicht-Radonvorsorgegebieten ein prioritäres gesundheitliches Risiko in Innenräumen dar [1] [2] [3] [4] [5].

Interessenskonflikte Keine.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
26. April 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14,70469 Stuttgart, Germany