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DOI: 10.1055/s-0042-1745498
Gesundheitsrisiko 1,2-Dichlorethan: Eine Quellensuche im Innenraum
1,2-Dichlorethan (1,2-DCE, CAS-Nr. 107-06-2) ist als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen eingestuft (Karz. 1B gemäß CLP-Verordnung; Brustdrüsentumoren in Ratten). Es wurde in der Vergangenheit u.a. in Abbeizmitteln, Reinigern, Pestiziden, Tapetenklebern, Farben und Lacken verwendet und wird vereinzelt in Innenräumen gefunden. Der Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR) hat für 1,2-DCE auf Basis des Referenzwertes einen vorläufigen Leitwert von 1 µg/m3 festgelegt, der einem zusätzlichen Krebsrisiko von 2,7 E-6 entspricht. Als Nebenbefund einer Untersuchungsreihe wurde in einem Wohnzimmer einer Privatwohnung eine Konzentration von 37 µg/m3 1,2-DCE (Raumgröße ca. 55 m3) gemessen. Bei lebenslanger Exposition entspricht dies einem zusätzlichen theoretischen Krebsrisiko von 1 E-4. Somit wurde das im Umweltbereich in der Regel zugrunde gelegte maximal tolerable Risiko von 1 E-5 bis 1 E-6 deutlich überschritten. Da die Ursache hierfür unklar war, wurde eine umfangreiche Quellensuche durchgeführt.
Alle dafür notwendigen Luftprobenahmen erfolgten auf Tenax-TA Adsorptionsröhrchen und die entsprechenden Analysen mittels TD-GC-MS. Messungen zum Vergleich mit dem vorläufigen Leitwert fanden unter Ausgleichsbedingungen statt (mind. 8 h ohne Lüften vor der Messung), die zur Quellensuche nicht. Die Isolation von Raumbereichen und Gegenständen erfolgte mittels handelsüblicher Abdeckfolie.
Zur Eingrenzung der Quelle sind zunächst weitere Räume (Küche: 9,2 µg/m3, Flur: 6,2 µg/m3, Dachboden: 0,5 µg/m3), dann größere Bereiche des Wohnzimmers (vorderes Wohnzimmer (12 µg/m3), hinteres Wohnzimmer (100 µg/m3)) und anschließend kleinere Areale sowie Einzelgegenstände auf 1,2 DCE untersucht worden. Als Quelle konnte schließlich ein ca. 6 Jahre alter Zimmerbrunnen aus Polyresin in einer Schrankwand des hinteren Wohnzimmers identifiziert werden. Nach Entfernung des Brunnens und gründlichem Lüften sanken die Innenraumluftkonzentrationen von 1,2-DCE auf Werte von<0,2 µg/m3 (=Bestimmungsgrenze).
Die Ergebnisse zeigen, dass bereits einzelne mit 1,2-DCE belastete Gegenstände aus Polyresin (Kunststein) auch nach mehreren Jahren noch zu signifikant erhöhten 1,2 DCE-Konzentrationen in der Innenraumluft führen können. Um festzustellen, ob es sich bei Gegenständen aus Polyresin um häufigere Belastungsquellen handelt, sollten systematische Untersuchungen durchgeführt und ggf. regelmäßige Kontrollen insbesondere von in die EU importierten Produkten auf 1,2-DCE erfolgen.
Interessenskonflikte Keine.
Publication History
Article published online:
26 April 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14,70469 Stuttgart, Germany