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DOI: 10.1055/s-0042-1745493
Notwendige Bereitschaft zur Reaktion auf einen Anschlag mit hochtoxischer Substanz im öffentlichen Raum
Hintergrund Grundsätzlich wird der Einsatz von chemischen Stoffen in terroristischen Szenarien nach Ereignissen der letzten Jahre durch Splittergruppen und Unrechtsregimen auch in der westlichen Welt befürchtet. Zum Schutz insbesondere der Zivilbevölkerungen im Ernstfall ist eine möglichst schnelle und sichere Erkennung des Vergiftungsbildes (Toxidrom) durch Handlungsträger und eine Versorgung mit notwendigen Rettungsmitteln (Antidota) sowie in bestmöglich vorbereiteten Einrichtungen essentiell [1]. Methoden Ein damit verbundenes Ziel ist es, auch ÄrztInnen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) auf den Fall eines chemischen Anschlags, bei dem sie von der Versorgung Betroffener zwar kaum betroffen wären, aber von Dienstvorgesetzten wie Landräten/Oberbürgermeistern und der Presse bezüglich des Risikopotentials für die besorgte Bevölkerung mit sachverständiger Äußerung nachgefragt wären, inhaltlich vorzubereiten. Für diesen Notfall ist zu befürchten, dass erhebliche Belastungen für das klinische Versorgungssystem von besorgten Gesunden ausgehen würden, welche die Zahl tatsächlich Geschädigter erheblich übersteigen [2], wie sich beim Präzedenzfall des Sarin-Anschlags auf die Tokioter U-Bahn am 20.03.1995 gezeigt hatte [3]. Zur notwendigen Entwicklung und Bereitstellung von Informationsmaterialien und Verhaltensmaßregeln für die Öffentlichkeit zu einem Anschlag mit Chemiekampstoffen zum Funktionserhalt der zivilen Gesellschaft [4] und zur Entlastung der klinischen Versorgungstrukturen durch besorgte Gesunde sollte auch der ÖGD beitragen. Ergebnisse Vom Freistaat Bayern werden die TeilnehmerInnen des Lehrgangs für den höheren Gesundheitsdienst in die Grundlagen der klinisch-toxikologischen Symptomatologie, Toxikodynamik und Therapierbarkeit [1] von Expositionen mit chemischen Stoffen [2], v.a. deren bedrohlichsten Substanzgruppen wie Organophosphaten (OP) und Vesikantien am Beispiel von S-Lost (Senfgas) [5] eingeführt. Schlussfolgerung Zur Vorbereitung auf eine potentiell vorsätzliche Freisetzung hochtoxischer Substanzen im öffentlichen Raum müssen klinische Toxikologen und Giftinformationszentren (GIZ) die tragende Rolle spielen, unter Wahrung der Zuständigkeiten von Katastrophenschutzbehörden und Beteiligung des ÖGD, nachdem eine Mitbeteiligung des öffentlichen Raums bei Anschlags-Zielen wie dem früheren russischen Doppelagenten Sergej Skripal am 04.03.2018 in Salisbury [6] mit betroffenen Einsatzkräften und vor Ort befindlichen Bürgern gegeben war.
Interessenskonflikte keine
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
26. April 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14,70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Wille T, Steinritz D, Worek F, Thiermann H. Vergiftungen durch chemische Kampfstoffe. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2019; 62 (11) 1370-77
- 2 Socher M, Fromme H, Wildner M, Zilker T. Terrorismus mit chemischen Stoffen. In: Handbuch der Umweltmedizin; Fromme, Wichmann (Hrsg.), 71. Erg.Lfg. 12/2021, Ecomed MEDIZIN, Landsberg/Lech
- 3 Vale JA. What lessons can we learn from the Japanese sarin attacks. Przegl Lek 2005; 62: 528-532
- 4 Weinstein RS, Alibek K. Biological and Chemical Terrorism. Thieme Verlag; Stuttgart, New York: 2003
- 5 Socher M, Romanek K, Niessen K, Zilker T. Praktischer Leitfaden zur Medizinischen Versorgung von Chemiekampfstoffopfern. Übersetzung ins Deutsche, OPCW (Hrsg.), Den Haag, Juni. 2019 https://www.opcw.org/sites/default/files/documents/2019/07/Praktische%20Anleitung%20zur%20medizinischen%20Versorgung%20von%20Chemiekampfstoff%20Opfern-Juni-2019.pdf
- 6 Vale JA, Marrs TC, Maynard RL. Novichok: a murderous nerve agent attack in the UK. J Tox Clin Tox 2018; 56 (11) 1093-97