Gesundheitswesen 2022; 84(04): 367-368
DOI: 10.1055/s-0042-1745487
Abstracts | BVÖGD/BZÖG
Fachausschuss Psychiatrie
Vorträge

Zwang und Zwangsvermeidung aus juristischer Perspektive

Hendrik Haußmann
 

Zwang und Zwangsvermeidung waren bereits im Rahmen der Psychiatrieenquete und den 1988 erschienenen Empfehlungen der Expertenkommission ins Blickfeld der psychiatrischen und insbesondere sozialpsychiatrischen Arbeit gerückt. Viele PsychKG´s der Länder hatten die Vermeidung von Zwang und die Stärkung der Rechte untergebrachter Menschen schon Anfang der 2000er festgeschrieben. Mit Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention rückte das Thema Zwang in der Psychiatrie zunehmend auch in den Fokus der Justiz und führte in der Folge zu diversen gesetzlichen Regelungen in diesem Kontext, beispielsweise zur wegweisenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.7.2018 betreffend die Fixierung und Überwachung untergebrachter Menschen.

Inputs Wesentliche Aspekte aus Sicht der Justiz:

Zunächst stellt sich die Frage nach der rechtlichen Qualifikation von Zwang wiewohl danach, ob, wie, durch welche Maßnahmen und auf welcher Rechtsgrundlage Zwang ausgeübt wird. Insbesondere, wenngleich mitnichten ausschließlich, mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.7.2018 zur Zulässigkeit von Fixierungen im Rahmen geschlossener Unterbringungen haben auch in der jüngeren Vergangenheit in rechtlicher Hinsicht kontinuierlich weitere Entwicklungen stattgefunden. Das Erfordernis eines Richtervorbehalts wurde in erheblichem Maße verstärkt und die Ausübung von Zwang durch Fixierung von in der geschlossenen Psychiatrie untergebrachten Menschen im Hinblick auf das Erfordernis einer gerichtlichen Überprüfung bzw. Anordnung konkretisiert. Dies gilt insbesondere auch für die erforderliche Eins-zu-sein-Betreuung nebst fixierungsbegleitender Medikation. Dabei stellt die Frage nach der Vermeidbarkeit von Zwang bzw. dessen tatsächlicher Reduzierung bzw. Vermeidung ein zentrales Element dar.

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit kurzen Inputs der Beteiligten soll diese Entwicklung und die aktuelle Situation aus der Perspektive der Kliniken, der Justiz, der sozialpsychiatrischen Dienste sowie Betroffener und Angehöriger diskutiert werden.

Interessenskonflikte Keine, da Tätigkeit als Richter am Amtsgericht Oldenburg in Holstein, derzeit in Abordnung an das Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz (MJEV) des Landes Schleswig-Holstein als Referent u.a. für Betreuungsrecht; in SH und HH außerdem Tätigkeit als Dozent im Bereich Betreuungs- und Unterbringungsrecht, MedRecht, Recht und Psychiatrie.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
26. April 2022

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