Kinder- und Jugendmedizin 2022; 22(02): 125
DOI: 10.1055/s-0042-1744084
Abstract | KJM

Die essentielle Thrombozythämie

Martin Griesshammer
 

Die essentielle Thrombozythämie (ET) betrifft vorwiegend die megakaryozytäre Zellreihe. Leitbefund ist die konstante und langsam progrediente Erhöhung der Thrombozytenzahl. Wegen der heutzutage oft routinemäßigen Bestimmung von Blutbildern wird die ET häufiger und auch bei jüngeren Patienten diagnostiziert. Die aktivierende Punktmutation V617F im Gen der Tyrosinkinase JAK2 (JAK2-V617F-Mutation) ist bei 60% der ET-Fälle vorhanden, ca. 25% haben Mutationen im Calreticulin-Gen (CALR) und 5% weisen eine aktivierende Mutation des MPL-Gens auf. Somit verbleiben nur ca. 10% triple-negative ETs, deren Prognose in der Regel besonders günstig ist. Patienten mit ET haben häufig Mikrozirkulationsstörungen, schwere Komplikationen sind Thrombosen im venösen und häufiger im arteriellen System. Paradoxerweise können bei der ET, insbesondere bei sehr hohen Thrombozytenzahlen (> 1000 G/l), auch hämorrhagische Komplikationen auftreten. Die Diagnosesicherung der ET erfolgt nach den modifizierten WHO-Kriterien. Anhand der Faktoren Alter, ET-bedingte Komplikationen und der Thrombozytenzahlen werden die drei Risikogruppen Hoch-, Intermediär- und Niedrigrisiko unterschieden. Zunehmend werden auch das Vorliegen einer Leukozytose und/oder einer JAK2-V617F-Mutation als zusätzliche Risikofaktoren bei der ET diskutiert. Nur die Hochrisiko-ET wird obligat mit zytoreduktiven Medikamenten behandelt. Hier stehen Hydroxyurea und Anagrelide zur Verfügung. Bei Vorliegen eines intermediären Risikos sollte die Therapie auf den Patienten individuell zugeschnitten werden. Bei Niedrigrisikopatienten wird in der Regel nur niedrig dosierte Acetylsalicylsäure oder gar keine medikamentöse Behandlung gegeben. Quoad vitam ist die Prognose der ET in der Regel sehr gut, so dass die Therapie nicht toxischer als der Verlauf der ET selbst sein sollte.



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Artikel online veröffentlicht:
20. April 2022

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