Zusammenfassung
Hintergrund Folgekosten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen werden meist mit kurzem Zeithorizont
betrachtet. Im Fall der
Auswirkungen von Thalidomid (Contergan, reg.) kann geprüft werden, welches Ausmaß
und welche Struktur Folgekosten auch 50 Jahre nach einem
Ereignis haben können.
Methode Erhoben wurden Daten von conterganbetroffenen Menschen in Nordrhein-Westfalen. In
einer schriftlichen Befragung wurden Daten
zu Arbeitsfähigkeit und privaten Ausgaben erhoben. Ergänzend erfolgte eine Auswertung
von Abrechnungsdaten der Krankenkassen, wobei eine
Gruppe „Extremitätenfehlbildungen“ mit einer altersgleichen Vergleichsgruppe eingesetzt
wurde. Ausgewertet wurden Daten zur Inanspruchnahme
sowie zu Kosten aus Sicht der Gesetzlichen Krankenversicherung.
Ergebnisse In die Befragung eingeschlossen wurden 202 conterganbetroffene Menschen. Es zeigten
sich erhebliche und individuell stark
schwankende persönliche Ausgaben, die häufig außerhalb einer Übernahme durch die Sozialversicherungen
lagen. Auch wenn die Fehlzeiten eher
hoch liegen, hat die vorzeitige Beendigung der Erwerbstätigkeit ein vergleichsweise
geringes Ausmaß. Insgesamt liegen die Kosten aus Sicht
der Krankversicherung bei Menschen mit Extremitätenfehlbildungen um 29 % höher als
für eine altersgleiche Vergleichsgruppe (3038 Euro versus
2045 Euro pro Jahr).
Diskussion Unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln können nicht nur kurzfristig im Gesundheitswesen,
sondern auch langfristig in der
Gesellschaft erhebliche Kosten verursachen. Die Contergankatastrophe ist dafür ein
tragisches Beispiel. Neben der reinen Kostenbetrachtung
müssen auch mangelnder Zugang zu effektiven Therapien zur Abmilderungen der Folgen
von unerwünschten Arzneimittelereignissen und der Verlust
des Vertrauens in die Gesundheitsversorgung thematisiert werden.
Abstract
Aim Analyzing costs and effects caused by adverse drug reactions usually cover short
time horizon. In the case of the effects of
thalidomide a follow-up of 50 years after the event could be considered.
Method Data was collected from thalidomide-affected people in North Rhine-Westphalia (Germany),
where most of the affected persons
today live. Data on working capacity and private expenditures were collected in a
written survey. An analysis of accounting data of the
health insurance compared a group “extremities malformations” with an age-matched
control of the general population of the region.
Results The survey included 202 thalidomide-affected people. There were significant and individually
highly variable personal
expenses, which often were not covered by the social health insurance. Even if absenteeism
was rather high, the rate of termination of
employment was comparatively low. Overall, the cost from the perspective of social
health insurance for thalidomide-affected people was 29 %
higher than for the age-matched control group (3038 Euros versus 2045 Euros per year).
Conclusion The thalidomide disaster is a tragic example for the fact that adverse drug effects
could not only cause short-term
healthcare costs, but also substantial long term costs in the society and in the households
of those affected. In addition to pure cost
analysis the lack of access to effective therapies to mitigate the consequences of adverse
drug events, and the loss of confidence into
health care need to be addressed.
Schlüsselwörter
Unerwünschte Ereignisse - Thalidomide - Contergan - Gesundheitskosten
Key words
adverse events - thalidomide - Contergan - health care costs