Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85(01): 14
DOI: 10.1055/s-0042-122210
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zusammenhang von hormoneller Kontrazeption und Depression

Andrea Rotter-Neubert
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Publication Date:
23 January 2017 (online)

Fragestellung: Die vorliegende Studie untersucht den Zusammenhang von hormoneller Kontrazeption mit der späteren Diagnose einer Depression und dem Gebrauch von Antidepressiva.

Hintergrund: Millionen Frauen weltweit verhüten mittels hormoneller Kontrazeption. Schon lange besteht die praktische Vermutung, dass ein Zusammenhang zwischen der hormonellen Kontrazeption und der Stimmung besteht, dennoch ist die Datenlage bezüglich der Assoziation zwischen hormoneller Kontrazeption und Stimmungsschwankungen inadäquat.

Die Lebenszeitprävalenz für eine Depression ist bei Frauen doppelt so hoch wie bei Männern, wobei Mädchen vor der Pubertät eine gleich hohe Prävalenz wie Jungen aufzeigen. Dabei gibt es Hinweise, dass die weiblichen Sexualhormone bei der Pathologie der Depression eine Rolle spielen. Klinische Studien lassen vermuten, dass Veränderungen des Östrogenlevels Depressionen triggern, wobei niedrige Estradiolspiegel mit vermehrter Depressivität korrelieren.

Methode: In einer großen, prospektiven Kohortenstudie wurden Daten aus gesamt Dänemark gesammelt. Dabei wurden Frauen im Alter zwischen 15–34 Jahren zwischen Januar 2000 bis Dezember 2013 eingeschlossen, die bisher keine Erstdiagnose einer Depression aufwiesen, bisher keine antidepressive Medikation eingenommen hatten, bei denen weder eine psychiatrischer Hauptdiagnose, eine Tumorerkrankung noch eine Venenthrombose diagnostiziert wurde oder die wegen Infertilität hormonell behandelt wurden.

Hauptvariablen waren die Erstdiagnose einer Depression gestellt in einem psychiatrischen Krankenhaus und die Erstverordnung eines Antidepressivums. Daneben wurden verschiedene Covariablen aufgenommen wie Alter, Länge der Schulausbildung, Rauchen oder Schwangerschaften. Danach wurde das adjustierte Inzidenzratenverhältnis für die Hauptvariablen Depression und Einnahme eines Antidepressivums berechnet.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 1 061 997 Frauen mit einem durchschnittlichen Alter von 24,4 Jahren in die Studie eingeschlossen. Verglichen wurden verschiedene Arten von hormoneller Kontrazeption mit einer Vergleichsgruppe von Frauen, die keine hormonelle Kontrazeption benutzten. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Inzidenzrate für eine erstmalige Antidepressivamedikation bei Frauen, die ein hormonelles Kombinationspräparat zur Empfängnisverhütung nutzen, 1,23 betrug, also die Frauen verglichen mit der Kontrollgruppe ohne hormonelle Kontrazeption ein höheres Risiko aufweisen eine antidepressive Medikation zu brauchen. Frauen, die mittels eines reinen Progesteronpräparats verhüteten, hatten eine Inzidenzrate für ein Antidepressivum von 1,34, damit also eine noch höhere Wahrscheinlichkeit als die mit Kompinationspräparaten. Bei Nutzerinnen eines Hormonpflasters (Wirkstoff Norgestrolmin) erhöhte sich die Inzidenzrate sogar auf 2,0, wobei die Inzidenzrate bei Nutzerinnen eines Vaginalrings (Wirkstoff Etonogestrel) bei 1,6 und bei Frauen mit einem intrauterinen Levonorgestrel Systems bei 1,4 lag.

Bei der Diagnose Depression wurden ähnliche oder niedrigere Inzidenzraten evaluiert.

Das relative Risiko sank generell mit steigendem Alter. Bei Jugendlichen im Alter zwischen 15–19 Jahren, die eine kombinierte orale Kontrazeption verwendeten, betrug die Inzidenzrate für den erstmaligen Gebrauch eines Antidepressivums 1,8 und für solche die ein reines Progestinpräparat nutzen, bei 2,2.

Zum zeitlichen Verlauf konnte eruiert werden, dass die Inzidenzrate für eine antidepressive Medikation sechs Monate nach dem Beginn einer hormonellen Kontrazeption auf 1,4 anstieg. Bei den Nutzerinnen eines kombinierten Präparates erhöhte sich die Inzidenzrate auf 1,7.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse lassen die Vermutung anstellen, dass es sich bei der späteren Depression um eine Nebenwirkung der hormonellen Kontrazeption handeln könnte.