Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(06): 235-236
DOI: 10.1055/s-0042-121413
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Geburtshilfe
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Adipositas / Kinderwunsch – Lebensstiländerungen bei Fertilitätsstörungen übergewichtiger Frauen

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Publication Date:
21 December 2016 (online)

Hintergrund: Übergewichtige Frauen haben im Vergleich zu normalgewichtigen vermehrt Probleme, schwanger zu werden und ein gesundes Kind auszutragen. Eine Reihe von Leitlinien empfiehlt daher bei Kinderwunsch zunächst eine Gewichtsabnahme, bevor reproduktionsmedizinische Maßnahmen zum Einsatz kommen. Bis jetzt gibt es aber keine harten Fakten, die diese Empfehlung untermauern. Mediziner aus den Niederlanden haben jetzt danach gesucht.

Methoden: Meike Musaerts und ihre Kollegen haben zwischen Juni 2009 und Juni 2013 in 23 niederländischen Zentren mehr als 500 Frauen in eine randomisierte Studie aufgenommen. Einschlusskriterien umfassten eine gesicherte Infertilität mit anovulatorischen Zyklen oder, bei ovulatorischen Zyklen, einen unerfüllten Kinderwunsch seit mindestens 12 Monaten bei einem Body-Mass-Index (BMI) ≥ 29 kg / m2. Die Frauen wurden nach dem Zufallsprinzip einer von 2 Gruppen zugewiesen:

  • strukturiertes Programm zur Gewichtsabnahme über 6 Monate, mit kalorienreduzierter Ernährung, vermehrter körperlicher Aktivität und allgemeinen Informationen über einen gesunden Lebensstil, mit dem Ziel einer Gewichtsabnahme von 5–10 %; erst ab Monat 7 erfolgte die Behandlung der Infertilität über insgesamt 18 Monate (Interventionsgruppe; n = 289)

oder

  • sofortige Infertilitätsbehandlung nach dem Protokoll des jeweiligen Zentrums über insgesamt 24 Monate (Kontrollgruppe; n = 285).

Als primären Endpunkt beurteilten die Wissenschaftler die Rate vaginaler Entbindungen von einem gesunden Kind mit einem Gestationsalter von mindestens 37 Wochen innerhalb von 24 Monaten nach der Randomisierung. Sekundäre Endpunkte umfassten Veränderungen des Körpergewichts, des Taillenumfangs und des Blutdrucks sowie mütterliche und kindliche Komplikationen.

Ergebnisse: Die Auswertung ergab zunächst eine Abbruchrate von fast ¼ der Teilnehmerinnen in der Interventionsgruppe (n = 63). Frauen, die die Intervention beendeten, verloren im Mittel 5,3 kg, bei fast der Hälfte von ihnen waren das 5 % des Körpergewichts oder mehr. Der Gewichtverlust der Frauen in der Kontrollgruppe betrug demgegenüber 1,1 kg.

In der Intent-to-treat-Analyse lag die Rate der vaginal entbundenen Lebendgeburten in der Kontrollgruppe höher als in der Interventionsgruppe, mit 35,2 gegenüber 27,1 %. Die Per-Protocol-Analyse ergab dagegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Schwangerschafts- und geburtshilfliche Komplikationen traten ebenso wie Komplikationen von Seiten des Kindes in beiden Gruppen ähnlich häufig auf.

Fazit

Nach diesen Daten kann eine Intervention, die auf eine Verminderung des BMI abzielt, die Rate von Lebendgeburten bei übergewichtigen Frauen mit Fertilitätsstörungen nicht verbessern, fassen die Autoren zusammen. Einschränkend sind die fehlende Verblindung und die hohe Abbruchrate in der Interventionsgruppe zu berücksichtigen, die allerdings etwa derjenigen ähnlicher Programme in der Literatur entspricht. Ob Maßnahmen, die die Motivation und Compliance fördern, die geschilderten Ergebnisse verändern könnten, muss derzeit offen bleiben.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim