Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(06): 237
DOI: 10.1055/s-0042-121410
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Neonatologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ernährung /Entwicklung – Muttermilch verbessert bei Frühgeborenen langfristig die kognitive Entwicklung

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Publication Date:
21 December 2016 (online)

Hintergrund: Bei Termingeborenen scheint die Ernährung mit Muttermilch die neurologische Entwicklung im Vergleich zu Formulanahrung zu verbessern, bei Frühgeborenen ist dieser Zusammenhang dagegen weniger gesichert. Mandy Belfort und ihre Kollegen aus Australien haben nun erstmals die direkte Entwicklung des Gehirns bei Frühgeborenen zur Muttermilchernährung in Beziehung gesetzt und Langzeitdaten erhoben.

Methoden: Alle 180 einbezogenen Kinder gehörten zur südaustralischen Kohorte „Victorian Infant Brain Studies“, in die zwischen 2001 und 2003 Kinder mit einem Gestationsalter von weniger als 30 Wochen und / oder einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 g aufgenommen worden waren. Bei diesen Kindern untersuchten die Wissenschaftler

  • die Entwicklung des Gehirns zum errechneten Geburtstermin in der MRT,

  • die neurokognitive Entwicklung im Alter von 2 Jahren mit den Bayley Scales of Infant Development 2 (Bayley 2)

sowie

  • die allgemeine Intelligenz, schulische Fähigkeiten (Lesen und Rechnen), Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, sprachliche Entwicklung, visuelle Wahrnehmungsfähigkeit und motorische Funktion im Alter von 7 Jahren mit einer umfangreichen psychomotorischen Testbatterie

und setzten die Ergebnisse zur Ernährung in den ersten 28 Lebenstagen in Beziehung. Als Kenngröße zogen sie die Zahl der Tage heran, an denen die Kinder mehr als 50 % ihres Energiebedarfs in Form von Muttermilch (über Sonde) erhalten hatten.

Ergebnisse: Die Auswertung ergab eine überwiegende Muttermilchernährung an im Mittel 21 der 28 ersten Lebenstage, mit im Mittel 90 ml / kg und Tag. Weiterhin zeigten sich nach Adjustierung für verschiedene Störfaktoren (u. a. Gestationsalter, Kortikosteroidgabe, schwere Frühgeborenenkomplikationen, sozioökonomische Daten) bei überwiegender Muttermilchernährung

  • in der MRT zum Geburtstermin eine Volumenzunahme der tiefen grauen Substanz (um 0,11 cm3 / Tag Muttermilchernährung) und des Hippokampus (um 0,02 cm3 / 10 ml Muttermilch pro kg und Tag),

  • keine relevanten Zusammenhänge mit den Bayley-2-Ergebnissen im Alter von 2 Jahren

und

  • ein signifikant besseres Abschneiden im allgemeinen Intelligenztest, bei Rechenfähigkeiten, Arbeitsgedächtnis und motorischen Funktionen im Alter von 7 Jahren.

Fazit

Auch bei Frühgeborenen scheint nach diesen Daten also die Ernährung mit Muttermilch mit positiven Ergebnissen bei der neurologischen und intellektuellen Entwicklung bis ins Schulalter einherzugehen, so die Autoren. Die Formulierung von Leitlinien zur Ernährung dieser Kinder sollte diese Ergebnisse berücksichtigen und auch in dieser Risikogruppe die Ernährung mit Muttermilch soweit wie möglich empfehlen, auch wenn ein Stillen selbst nicht möglich ist.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim