Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(06): 233
DOI: 10.1055/s-0042-119269
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das vermeintliche Wohl des Neugeborenen als Spiegel gesellschaftlicher Befindlichkeiten

D. Singer
Further Information

Publication History

Publication Date:
21 December 2016 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

Es ist nicht alltäglich, dass man in einem medizinischen Fachjournal wie der ZGN einen veritablen kulturhistorischen Aufsatz herausbringen darf. Dass uns dies im vorliegenden Heft dennoch gelingt, ist dem Engagement einer Historikerin zu verdanken, die – selbst Mutter eines frühgeborenen Mädchens – sich des Themas „Muttermilchbanken“ angenommen und dazu umfangreiches Quellenmaterial zusammengetragen hat. In der Arbeit mit dem Titel „Wie wertvoll ist Muttermilch? Die Ernährung Früh- und Neugeborener seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert“ wird nachgezeichnet, wie Frauen-(Ammen-)milch zunächst eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit spielte, wie sie obendrein zu politischen Zwecken instrumentalisiert wurde, wie sie dann in den Nachkriegsjahren im „Westen“ aus verschiedenen Gründen aus der Mode kam, wie sie dagegen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR hoch im Kurs blieb und wie sie heute wieder als wichtiges Element der Infektionsprävention bei Frühgeborenen angesehen wird – mit der Folge einer weltweiten Neugründung zwischenzeitlich belächelter Frauenmilchbanken.