Zusammenfassung
„Schwindel“ ist ein vieldeutiges Syndrom, mit dem der HNO-Arzt täglich konfrontiert
wird. Im Hinblick auf die komplexen Funktionen des Orientierungssinnes bezeichnet
man „Schwindel“ heute als Orientierungsstörung, eine gestörte Wahrnehmung des Körpers
im Raum. Neben den häufigen klassischen Schwindelsyndromen (z. B. Lagerungsschwindel,
Neuritis vestibularis, Morbus Menière), bei dem „Schwindel“ das Leitsymptom darstellt,
tritt „Schwindel“ als Haupt- oder Begleitsymptom bei einer Vielzahl von HNO-Erkrankungen
mit Beteiligung des Innenohres auf. Das betrifft z. B. akute oder chronische virale
oder bakteriell bedingte Infektionen des Ohres mit seröser oder bakterieller Labyrinthitis,
verletzungsbedingten Störungen (z. B. Barotrauma, Otobasisfraktur, Labyrinthkontusion),
chronisch-entzündliche Knochenprozesse sowie Innenohraffektionen im perioperativen
Verlauf. Schwindeldiagnostik hat in den letzten Jahren durch neue diagnostische Möglichkeiten
einen Paradigmenwechsel erfahren. In der Notfalldiagnostik lassen sich periphere und
zentrale Störungen bei „Schwindel“ (akutes vestibuläres Syndrom) mit einfachen Algorithmen
differenzieren. Die Einführung moderner vestibulärer Testverfahren (Videokopfimpulstest,
vestibulär evozierte myogene Potenziale) in die klinische Praxis hat zu neuen Diagnosemöglichkeiten
geführt. Das erlaubt erstmals eine komplexe objektive Beurteilung aller Anteile des
Gleichgewichtsorgans mit relativ geringem Aufwand. Gemeinsam mit etablierten Methoden
ist eine frequenzspezifische Beurteilung der Funktionen vestibulärer Reflexe möglich.
Mithilfe neuer Klassifikationen lassen sich Schwindelsyndrome klinisch besser einordnen.
Moderne radiologische Verfahren, wie z. B. die intratympanale Gadoliniumapplikation
beim Morbus Menière mit Visualisierung eines endolymphatischen Hydrops, beeinflussen
ebenfalls die bisherigen medizinischen Standards. Moderne Methoden haben wesentlich
dazu beigetragen, dass sich „Schwindel“ vor allem in der HNO-Heilkunde heute besser
und zügiger abklären lässt.
Abstract
Modern diagnostic methods such as video head impulse test and cervical and ocular
vestibular evoked myogenic potentials allow to measure canal and otolith function
quantitatively and objectively. These methods contribute to a complex assessment of
the functional integrity of all 5 sensory elements of the vestibular organ for the
first time. Moreover, in combination with additional vestibular tests frequency specific
and time depended changes of impairments of vestibular sensors and their pathways
can be assessed. Over the past few years, new test methods have been established step
by step in daily clinical diagnostic of vertigo and dizziness in acute vestibular
syndrome and chronic complaints. Modern tests and concepts caused a paradigm shift
in vestibular diagnostic. New classifications of vestibular disorders and algorithms
provide a high diagnostic certainity and reliability although evidence-based investigations
of diagnostic procedures are still missing.
Schlüsselwörter
Schwindel - Videokopfimpulstest - VEMP - Diagnostik
Key words
Dizziness, vertigo, video head impulse test, VEMP, cVEMP, oVEMP