Diabetes aktuell 2016; 14(06): 264-278
DOI: 10.1055/s-0042-117667
Schwerpunkt
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Adipositas, Typ-2-Diabetes und das Mikrobiom, unser zweites Genom

Darmbakterien sind mehr als NebenschauspielerAdipositas, diabetes mellitus type 2 and gut microbiome, our second genome - Gut mirobiome ist more than a mere bystander
Rima Chakaroun
1   Klinik und Poliklinik für Endokrinologie und Nephrologie, Universitätsklinik Leipzig
,
Henkrike Heyne
2   Institut für Humangenetik, Universitätsklinik Leipzig
,
Michael Stumvoll
1   Klinik und Poliklinik für Endokrinologie und Nephrologie, Universitätsklinik Leipzig
,
Matthias Blüher
1   Klinik und Poliklinik für Endokrinologie und Nephrologie, Universitätsklinik Leipzig
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Publication History

Publication Date:
26 October 2016 (online)

Die Darmbakterien wurden lange Zeit als Kommensale oder Nebenschauspieler bei Darmerkrankungen und weiteren Infektionen aufgefasst. Dank moderner Sequenzierungsmethoden ist es in den letzten 10 Jahren gelungen, diese auf kompositioneller und funktioneller Ebene zu charakterisieren. Demnach bestehen vielfältige Hinweise für eine Schlüsselrolle der Darmmikrobiota, unter anderem bei der Entstehung von Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2. Vor allem Studien im Mausmodell zeigen eine überzeugende Kausalität zwischen Veränderungen im Darmmikrobiom und dem Auftreten kardiometabolischer Erkrankungen. Genaue pathophysiologische Mechanismen, die zur Entwicklung und Progression des metabolischen Syndroms führen, werden in der Wechselwirkung von bakteriellen Produkten mit dem Immunsystem des Wirts vermutet. Zudem können sie in Glukose- und Fettstoffwechselkaskaden eingreifen und Veränderungen in der Funktion des Fettgewebes hervorrufen. Die Darmbakterien fungieren somit als Bindeglied zwischen äußerer und innerer Umwelt. Besonders attraktiv erscheint deshalb die Möglichkeit, die bakterielle Dysfunktion gezielt über eine Modulierung der Darmmikrobiota zu behandeln. Dies kann über entsprechende Umwelteinflüsse, Ernährung, Medikamente oder individuelle Bakteriotherapien wie dem Einsatz von Präbiotika, Probiotika, Antibiotika oder Synbiotika erfolgen. Ziel dieses Artikels ist es, die aktuelle Datenlage zur Rolle des Darmmikrobioms in der Pathophysiologie von Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 darzustellen und auf offene Fragestellungen einzugehen.

For a long time overlooked as a mere bystander, a commensal organism or partially a nuisance, the gut microbiota has emerged as a key player in the modulation of the immune system and metabolism. Changes in the composition or function of the microbiota have been reported to be associated with metabolic diseases such as obesity, type 2 diabetes, insulin resistance and other diseases. Interactions between the microbiome, its products and the immune system may lead to an increased gut permeability resulting in a systemic subclinical inflammation (leaky gut hypothesis), but can also alter signaling pathways influencing glucose and lipid metabolism, fat storage and adipose tissue function. Moreover, host specific factors such as age, diet, antibiotics and environmental exposition, have also been linked to shifts in the microbiota. Based upon available evidence, it can be hypothesized that the microbiota may mediate the influence of environmental and individual factors leading to the development of obesity and type 2 diabetes. Thus, the aim of this review is to discuss the potential role of the gut microbiome in the pathophysiology of obesity and type 2 diabetes and shed light on emerging research and clinical applications.