Zusammenfassung
Hintergrund Personen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wird ein aktiver Lebensstil mit viel Bewegung im Alltag und in der Freizeit empfohlen, um von den vielfach nachgewiesenen positiven Effekten regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die körperliche und psychische Gesundheit zu profitieren. Da sich die Betroffenen dennoch oft viel zu wenig bewegen, wird nach geeigneten Mitteln der Motivierung zu mehr Sport und Bewegung gesucht. Die Identifizierung relevanter Einflussfaktoren unter Berücksichtigung gesundheitspsychologischen Wissens bildet die Grundlage für die Gestaltung von wirksamen Interventionen zur Bewegungsförderung. Im vorliegenden Beitrag werden deshalb die Annahmen des „Transtheoretischen Modells der Verhaltensänderung (TTM)“ als international etabliertem Modell für das Zielverhalten der sportlichen Aktivität an Betroffenen mit chronischen Polyarthritiden (cP) oder Spondyloarthritiden (SpA) überprüft. Aus den Ergebnissen sollen Hinweise zur zukünftigen Bewegungsförderung dieser Zielgruppe abgeleitet werden.
Methoden Über Sekundärdatenanalysen von 294 Teilnehmern an einer Studie zur Förderung körperlicher Aktivität in der stationären Rehabilitation wurden die Annahmen des TTM sowohl querschnittlich (t1; 6 Monate nach Rehabilitationsende) als auch längsschnittlich (t1–t2; 12 Monate nach Rehabilitationsende) überprüft. Die Modellkomponenten (Selbstwirksamkeit, wahrgenommene Vor- und Nachteile, Sportaktivität) wurden dazu auf Unterschiede zwischen den 5 Motivationsstufen (Absichtslosigkeit [AL], Absichtsbildung [AB], Vorbereitung [VB], Handlung [HL] und Aufrechterhaltung [AE]) untersucht. Unter den wahrgenommenen Nachteilen wurden „Organisatorische Hindernisse“ und die „Angst vor Schädigung“ separat betrachtet. Betroffene mit unveränderter Motivationsstufe, Stufenverbesserung oder -verschlechterung zwischen beiden Messzeitpunkten sollten entsprechende Veränderungen der Modellkomponenten im Zeitverlauf berichten.
Ergebnisse Trotz der ungewöhnlichen Stufenverteilung der Probanden zu t1 (7% AL, 9% AB, 8% VB, 21% HL und 55% AE) fanden sich die erwarteten Zusammenhänge: Auf höheren Motivationsstufen nahmen die Selbstwirksamkeit und die wahrgenommenen Vorteile zu, während die wahrgenommenen Nachteile abnahmen. Das Verhältnis zwischen den wahrgenommenen Vor- und Nachteilen regelmäßiger körperlicher Aktivität kehrte sich hypothesenkonform zwischen der untersten und der obersten Motivationsstufe um. Organisatorische Hindernisse wurden auf der Stufe VB am stärksten wahrgenommen, die Angst vor Schädigung durch körperliche Aktivität war auf allen Stufen gering ausgeprägt. Sportaktivitäten wurden auf den oberen beiden Stufen theoriekonform häufiger berichtet als auf den unteren 3 Stufen. Personen, die zu t1 und t2 unverändert auf einer aktiven Stufe standen (HL oder AE), berichteten zeitübergreifend günstigere motivationale und Aktivitätswerte (Selbstwirksamkeit, Vor- und Nachteile, Sport) als Personen, welche zu t1 und t2 unverändert auf einer inaktiven Stufe standen (AL, AB oder VB). Ein Fortschritt oder Rückfall auf den Motivationsstufen ging lediglich mit unterschiedlichen Verläufen der wahrgenommenen Nachteile einher.
Schlussfolgerung Die Ergebnisse weisen auf eine gute Passung der Annahmen des TTM zu den erhobenen Daten. In einem nächsten Schritt sollte das TTM an einer größeren und repräsentativeren Gruppe von Betroffenen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen validiert werden. Insbesondere bedarf es einer ausgewogeneren Verteilung der Personen auf den Motivationsstufen zu Beginn der Beobachtungen, um stufenspezifische Prädiktoren eines Stufenfortschritts oder -rückfalls identifizieren zu können. Mit diesen Erkenntnissen können perspektivisch ressourcensparende und wirksame Maßnahmen zur Bewegungsförderung der intendierten Zielgruppe gestaltet werden.
Abstract
Background People with inflammatory rheumatic diseases are advised to integrate physical activity into their everyday life and their leisure time, so that they can profit from the proven positive effects of regular physical activity on physical and mental health. Since patients are often still physically inactive, scientists and practitioners seek for ways and means to motivate them to engage more in sports and movement. The identification of relevant influencing factors in consideration of theories and models of health psychology provides a basis to create effective interventions to support sports and physical activity. Therefore, this article reviews the assumptions of the internationally established “Transtheoretical Model” (stages of change model; SOC) in the context of sports activities for patients with chronic polyarthritis (CP) or ankylosing spondylitis (AS). The results are intended to provide future directions for exercise interventions.
Methods Secondary data of 294 participants in a study to promote physical activity during 3-week inpatient rehabilitation were used to review the assumptions of the SOC model cross-sectionally (t1; 6-month follow-up) as well as longitudinally (t1–t2; 12-month follow-up). The model components (exercise self-efficacy, perceived benefits and barriers to regular exercises, and sports activities) were examined for differences between the 5 stages of change (Precontemplation [PC], Contemplation [C], Preparation [P], Action [A], and Maintenance [M]). Among the perceived barriers, “organisational barriers” and “fear avoidance beliefs” were considered separately. Participants with a stable stage level, an improvement or decline of stages between the 2 time points were expected to report corresponding changes in the model components over time.
Results Despite the unusual distribution of stages at t1 (7% PC, 9% C, 8% P, 21% A, and 55% M), the expected correlations of model components and stages of change were found: At higher motivational stages, exercise self-efficacy and perceived benefits increased while the perceived barriers decreased. The ratio between the perceived benefits and barriers of regular physical activity reversed between the lowest and the highest motivational stage. Organisational barriers were most prominent at the preparation stage; fear of avoidance was very low at all stages. As expected, sports activities were reported more often on the upper 2 stages (A and M) than on the 3 lower stages (PC, C, and P). Patients who remained on an active stage (A or M) from t1 to t2 reported more favourable motivational and activity outcomes over time (exercise self-efficacy, benefits and barriers, sports activities) compared to persons who remained on an inactive stage (PC, C or P). A progress or relapse on the motivational stages was only associated with different courses of the perceived barriers.
Conclusion Overall, the results point to a good fit of the SOC model with the participants’ data. In a next step, the SOC model should be validated in a larger and more representative sample of patients with inflammatory rheumatic diseases. Particularly, there should be a more balanced distribution of persons on the stages of change at the beginning of the observations to facilitate analyses of stage-specific predictors of a stage progress or relapse. With these insights, effective future interventions can be created to successfully promote sports and physical activity in the intended target group.
Schlüsselwörter Motivationsstufen der Verhaltensänderung - Selbstwirksamkeit - Vorteile und Nachteile - Organisatorische Hindernisse - Angst vor Schädigung
Key words stages of change - self-efficacy - benefits and barriers - organisational barriers - fear avoidance beliefs