intensiv 2016; 24(04): 186-187
DOI: 10.1055/s-0042-106875
Kolumne · Rechtsticker
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kolumne · Rechtsticker

Heidi Günther
,
Tobias Weimer
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Publication Date:
07 July 2016 (online)

KOLUMNE

Freundinnen

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(Paavo Blåfield)

Der einzige Weg, einen Freund zu haben, ist der, selbst einer zu sein.

Ralph Waldo Emerson (1803–1882), US-amerikanischer Philosoph und Schriftsteller

Meine Freundin hatte im Mai ihren 40. Geburtstag. Auch wenn ich gern behaupte, dass ich erst 39 bin, muss ich mich nun wohl den Tatsachen stellen und mich als um einiges älter outen oder stoisch behaupten, dass sie mich eingeholt hat. Jedenfalls machte ich mir seit einiger Zeit Gedanken, was ich ihr an diesem denkwürdigen Geburtstag als Geschenk zukommen lasse. Es sollte schon etwas hermachen, ihr Freude machen und dem Anlass gerecht werden.

Mit Freunden ist es ja so eine Sache. Im allwissenden Internet könnte man sich stundenlang belesen, was es zu dem Thema Freunde alles zu sagen gibt. Und wie bei allem in unserem allgemeinen Leben, gibt es auch hier Forschungen und Statistiken. Wissenschaftler wollen das Geheimnis dieser besonderen Beziehung ergründen. Mediziner finden Belege dafür, dass soziale Beziehungen uns vor Krankheiten schützen und unser Leben verlängern können, manche fordern sogar schon Freunde auf Rezept. Soziologen stellen ein neues Verantwortungsgefühl unter Freunden fest und sehen darin eine Rettung der alternden Gesellschaft jenseits von Familie und Sozialstaat.

So hat wer auch immer empirisch erhoben, dass rund drei Viertel der Deutschen, genauer 73 Prozent, einen besten Freund oder eine beste Freundin haben, auf die sie sich immer verlassen und denen sie absolut vertrauen können. Und das auch noch für durchschnittlich mindestens 24 Jahre. Was macht eine gute Freundschaft aus? Sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen, sagen 88 Prozent, immer ehrlich und offen zueinander sein zu können, finden 77 Prozent der Befragten wichtig.

„Freundschaften sind eine der zentralen Relaisstationen des sozialen Zusammenhalts. Und für manche Menschen sind sie sogar wichtiger als die Familie“, sagt der Soziologe Heinz Bude. Trotzdem wird für mein Gefühl der Begriff „Freundschaft“ sehr inflationär gebraucht. Ich denke da nur an Facebook. Da kann man ja nicht genug „Freunde“ haben und unter einhundert tut es ja offensichtlich niemand. Zu diesem Thema habe ich erst unlängst einen Artikel gefunden, in dem folgendes stand: „…Wie wenig die Menschen an ihren Facebook-Freunden wirklich hängen, hat schon die Guerilla-Marketingaktion der amerikanischen Fastfood-Kette Burger King bewiesen: ,Tauscht eure Facebook-Freundschaften gegen einen Hamburger‘, hieß das Angebot der Kette. Um einen ,Angry Whopper‘ im Wert von 3,69 Dollar zu erhalten, mussten die Kunden zehn Facebook-Freundschaften kündigen. 185.000 Freunde gingen seit Jahresbeginn schon über den Jordan …“

Ich weiß auch nicht so recht, was davon halten soll. Ich bin sicher, dass die Herrschaften von Facebook & Co. sich seinerzeit mit den Begrifflichkeiten in ihren Portalen leicht geirrt haben, als sie die Rubrik „Freunde“ installiert haben.

Mit einem Freund oder einer Freundin will ich mich treffen, mich unterhalten, Kaffee trinken, feiern, Sorgen und Glücksmomente oder Geheimnisse teilen. Aber bei 100 Freunden und mehr ist der Begriff „Geheimnis“ dann auch ein bisschen ad absurdum geführt. Wenn wir alle miteinander feiern wollten, müssten ganze Säle gemietet werden und von Spontaneität und Intimität bräuchten wir in diesem Zusammenhang auch nicht mehr zu reden. Riesentelefonkonferenzen müssten stattfinden, um miteinander reden zu können. Undenkbar.

Andererseits mag ich auch dieses aufgesetzte Gerede nicht, wenn jemand behauptet, er habe nur sehr wenige Freunde – die sind dafür aber besonders super. Oder: Meine Freunde sind meine Familie! Familie ist Familie und Freunde sind Freunde.

Da lobe ich mir doch meine inzwischen vierzigjährige Freundin. Wir kennen uns seit fast zehn Jahren. Im Januar 2007, an dem Tag, als der Orkan Kyrill halb Europa unsicher machte, stellte sich Michaela auf unserer Station vor und entschied sich dann auch schnell bei uns arbeiten zu wollen. Von Anfang an hatten wir einen guten Draht zueinander. Es passte einfach. Bald schon wurde sie meine Stellvertretung und es entwickelte sich eine Art der Zusammenarbeit, die ich nicht nur jeder Stationsleitung, sondern jedem Kollegen sehr gönnen würde. In vielen Dingen sind wir uns sehr ähnlich und in anderen weniger. Ich bin groß, sie eher klein. Sie ist blond und ich weiß gar nicht mehr genau, welche Haarfarbe ich ursprünglich hatte. Sie kommt aus dem Westen und ich aus dem Osten. Sie hat, und darauf legt sie besonderen Wert, das Latinum. Während ich zur Not noch etwas russisch rauskramen könnte. Dafür herrscht aber große Einigkeit in allen Belangen, was unseren Beruf und Berufsstand ausmacht. Es gibt auch Kontroversen im Rahmen unserer Arbeit als Stationsleitungen, die aber ausdiskutiert und für die gemeinsame Nenner gefunden werden.

Wir haben einen ähnlichen Humor, können auch gut über uns selbst lachen. Dennoch sind die wichtigsten Grundsätze unserer gemeinsamen Arbeit Professionalität, Ernsthaftigkeit, Gleichberechtigung, Akzeptanz, Loyalität und Vertrauen. Das alles sind Werte, die ich gar nicht hoch genug schätzen kann. Privat verstehen wir uns blendend. Wir sind uns vertraut und haben Vertrauen zueinander. Wir haben in den letzten Jahren viel gemeinsam erlebt. Viel gefeiert und gelacht und dem anderen beigestanden. Und, was sehr wichtig ist, wir gehen uns nie auf die Nerven! Darum ist es mir eine besondere Freude, hier auch einmal über eine meiner Freundinnen zu berichten und ihr noch einmal zum 40. Geburtstag zu gratulieren!

Liebe Michaela, alles Gute – und es ist mir immer wieder eine Freude, Dich zur Freundin zu haben!

In diesem Sinne,

Deine und Ihre
Heidi Günther
hguenther@schoen-kliniken.de