Z Gastroenterol 2016; 54(05): 512-513
DOI: 10.1055/s-0042-106313
Der bng informiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prävention oder Früherkennung eines KRK – Was nützt ein Recall-System?

Dietrich Hüppe
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. Mai 2016 (online)

Während einer Vorsorgekoloskopie wird bei 10 bis 30 Prozent der Untersuchten ein Adenom festgestellt. Diese stellen eine Darmkrebsvorstufe dar und bedürfen nach den Leitlinien der DGVS zum Kolorektalen Karzinom (zuletzt von 2014) einer Kontrolle nach drei bis fünf Jahren. Wie kann man eine solche Überwachungsstrategie in der Praxis umsetzen und was ist das Ergebnis? Wir haben es in unserer Gastroenterologischen Gemeinschaftspraxis in Herne ausprobiert.

Unser Vorgehen

Nach jeder Endoskopie wird der Patient ausführlich, ggf. in Anwesenheit von Angehörigen über den Befund der Untersuchung (hier Koloskopie) informiert. Er erhält zugleich einen persönlichen Befundbericht. Falls Polypen entfernt oder biopsiert worden sind, wird der Patient darauf hingewiesen, dass ggf. eine Kontrolluntersuchung nötig werden könnte, wenn Polypen sich als Adenome zu erkennen geben. Hyperplastische oder entzündliche Polypen werden nicht kontrolliert.

Das Ergebnis der Histologie geht an den Hausarzt oder Überweiser, ggf. mit einer Kontrollempfehlung durch die Praxis versehen. Bei der Befundbesprechung in der Praxis wird zugleich das mündliche Einverständnis des Patienten eingeholt, ggf. einen Recall aus der Praxis anzunehmen. Dieses Angebot wird von Patienten sehr positiv bewertet.

Nach Vorliegen der Histologie und der ärztlichen Bewertung wird das Kontrollintervall in der Praxissoftware hinterlegt. Wenn der Patient nach dem vorgeschlagene Kontroll-Intervall sich nicht selbstständig oder auf Überweisung durch den Hausarzt vorstellt, erfolgt innerhalb der nächsten drei Monate ein automatisiertes Anschreiben an den Patienten (allgemein gehalten, den Patienten nicht erschreckend, auf den Hausarzt als Berater verweisend!). Das PC-Programm der Praxis bietet die Möglichkeit zu einem solchen Recall.

Die Briefe werden von besonders geschulten Mitarbeiterinnen erstellt. Patienten, die das 80. Lebensjahr beim Recall-Termin überschritten haben, werden im Allgemeinen nicht mehr angeschrieben, um eine Überdiagnostik zu vermeiden. Patienten mit familiärem Darmkrebsrisiko werden nach fünf Jahren erneut zur Kontrolle eingeladen. Die Tumornachsorge nach Kolonkarzinom wird gesondert erfasst.

Unser Recall-System haben wir am 01.06.2008 etabliert und eine erste Analyse ab dem 1.8.2013 für das Intervall 01.06.2011 – 31.07.2013 gestartet.


#

Das Ergebnis

In das Recall-System wurden 1367 Patienten aufgenommen, darunter 770 Männer (56.3 %) und 597 Frauen (43.7 %). Während in den veröffentlichten Koloskopie-Registern die Anzahl der untersuchten Frauen überwiegt, nahmen in unserem Recall-Protokoll mehr Männer teil, weil bei diesen initial mehr Adenome gefunden wurden. Die Indikation zum Recall stellt [Abb. 1] dar. Das durchschnittliche Lebensalter der Recall-Patienten betrug 62.6 Jahre (Männer 63.1, Frauen 62.0 Jahre) (siehe  [Abb. 2]).

Zoom Image
Abb. 1 Indikation zum Recall (N = 1367 Patienten , 1210 Pat. mit 1 bis 2 Adenomen, 138 Pat. mit >= 3 Adenomen).
Zoom Image
Abb. 2 Altersverteilung der Recall-Patienten (N = 1367 Patienten).

Bei Adenomen erfolgte die Recall-Einladung üblicherweise nach drei Jahren Bei 104 Patienten (7.6 %) wurde durch den Arzt das Kontroll-Intervall verkürzt, z. B. aufgrund einer inkompletten Polypektomie oder unzureichender Sauberkeit des Darmes.

792 (58 %) Patienten stellten sich zur Kontroll-Koloskopie vor, 450 (33 %) Patienten erschienen nicht im Untersuchungszeitraum. 83 (6 %) Patienten waren postalisch nicht mehr zu erreichen, 22 Patienten waren verstorben, die Todesursache blieb zumeist unbekannt. 20 Patienten gaben an, zwischenzeitlich schon woanders stationär oder ambulant untersucht worden zu sein. Auch hier lagen die Untersuchungsergebnisse zumeist nicht vor.

653 (47.8 %) Patienten erschienen zum vorgesehenen Zeitpunkt (+ / – 6 Monate) zur Kontrolluntersuchung, 98 (7.2 %) später und 41 (3.0 %) früher (ohne Einladung). Insgesamt 149 Patienten (10.9 %) erschienen zum vorgesehenen Recall-Zeitpunkt oder früher ohne Anschreiben! Bei 59 % der Untersuchten fand sich bei der Kontrolluntersuchung keine erneute Präkanzerose. Bei 38 % zeigten sich erneut ein oder mehrere Adenome, bei 0.5 % fand sich ein Intervallkarzinom. Männer zeigten auch bei einem Recall-Kollektiv erkennbar mehr Adenome als Frauen ( [Abb. 3]).

Zoom Image
Abb. 3 Befunde nach Recall, (N = 792 Patienten, ohne Befund 59 %, mit Adenomen 38 %, Intervall-CA 0.5 %).

#

Fazit einer ersten Auswertung

Ein Recall-System erhöht die Inanspruchnahme einer empfohlenen Verlaufskontrolle durch die Patienten deutlich, in unserer Kohorte um > 500 %. Ein Recall-System erscheint effektiv. In dieser Risikogruppe (Kontrolle nach Polypektomie von Adenomen) finden sich bei ca. 40 % der Patienten nach drei Jahren erneut Adenome. Bei vier Patienten (0.5 %) hatten sich sogar Intervallkarzinome entwickelt!

Männer nehmen bisher seltener an Vorsorge-Koloskopien teil! Ihr Risiko, ein Adenom oder ein KRK zu bekommen, ist jedoch bekannterweise erhöht. Durch ein Recall-System lassen sich Männer erkennbar besser motivieren, sich Kontrollen bei erhöhtem KRK-Risiko zu unterziehen!

Mein Dank gilt unserer Mitarbeiterinnen Jennifer Zemke und Petra Katarzynski. Die Etablierung des Recall-Systems und dessen Auswertung wäre ohne ihre kontinuierliche Unterstützung nicht möglich gewesen.

Wer wird eingeladen?
  • Patienten mit einem oder mehreren Adenomen nach drei Jahren

  • Patienten nach inkompletter Polypektomie (nach individueller Arztfestlegung)

  • Tumornachsorge (nach UICC-Stadium)*

  • Patienten mit familiärem KRK-Risiko (nach fünf Jahren)*

  • Patienten > 80 Jahre wurden üblicherweise nicht angeschrieben!

(* die Patienten wurden im Recall bisher nur unvollständig erfasst)


#