Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84(04): 230-232
DOI: 10.1055/s-0042-105062
Facharztfragen
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Fragen aus der Facharztprüfung Neurologie

H. C. Diener
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Publication Date:
21 April 2016 (online)

Welche klinische Symptomatik zeichnet den paroxysmalen Lagerungsschwindel aus?
Antwort:

Kurze, heftige Drehschwindelattacken, für wenige Sekunden anhaltend, durch Lageänderung provoziert.

Kommentar:

Typischerweise im höheren Lebensalter (6. Oder 7. Lebensjahrzehnt) auftretend.

Wie kann der paroxysmale Lagerungsschwindel nachgewiesen werden?
Antwort:

Zum einen durch die typische Anamnese der kurzen, nur für Sekunden bis wenige Minuten anhaltenden Schwindelattacken, zum anderen durch die klinische Untersuchung mit einer Frenzel-Brille.

Kommentar:

Der ausgelöste Nystagmus sollte dabei zum nach unten liegenden Ohr gerichtet sein.

Wie unterscheidet sich der paroxysmale Lagerungsschwindel vom Morbus Menière?
Antwort:

Der paroxysmale Lagerungsschwindel dauert Sekunden bis wenige Minuten, während der Morbus Menière über mehrere Stunden anhält.

Kommentar:

Darüber hinaus ist der Morbus Menière klassischerweise mit einem Tinnitus, einer ipsilateralen Hörminderung und einem Druckgefühl auf dem Ohr vergesellschaftet.

Wie unterscheidet sich der Morbus Menière von einem akuten Labyrinthausfall?
Antwort:

Der Morbus Menière ist wesentlich häufiger als ein Labyrinthausfall und von kürzerer Dauer (Stunden, selten ein Tag). Beim Labyrinthausfall besteht ein heftiger, über Tage, teilweise auch Wochen anhaltender Drehschwindel mit Fallneigung im Stehen und Sitzen, häufig auch mit starkem Erbrechen.

Kommentar:

Tinnitus oder Hörminderung kommen beim Labyrinthausfall nicht vor.

Welche klinische Symptomatik ist beim Labyrinthausfall zu erwarten?
Antwort:

Neben den über Tage bis Wochen bestehenden akuten Schwindelsymptomen mit nur langsamer Besserung zeigt sich meist ein ausgeprägter spontaner Nystagmus mit rotierender Komponente zur gesunden Seite.

Kommentar:

Bei fehlender Fixierung unter der Frenzel-Brille verstärkt sich die Amplitude des Nystagmus.

Wie kann ein akuter Labyrinthausfall nachgewiesen werden?
Antwort:

Durch die Dauer der Symptomatik, insbesondere aber durch ein nicht erregbares Labyrinth in der kalorischen Prüfung.

Kommentar:

Hinzu kommen die typischen Begleitsymptome mit dem ausgeprägten Nystagmus.

Was versteht man unter einem Lermoyez-Syndrom?
Antwort:

Eine Sonderform des Morbus Menière.

Kommentar:

Beim Lermoyez-Syndrom kommt es während oder direkt nach der Schwindelattacke zu einer temporären Hörverbesserung.

Wie unterscheidet sich die Klinik des periphervestibulären von der des zentral-vestibulären Schwindels?
Antwort:

Durch die Dauer der Schwindelattacke, das Auftreten von Erbrechen und die Art des Nystagmus.

Kommentar:
  • peripherer Schwindel:

    • Schwindelattacke eher kurz

    • bei fast allen Formen häufig mit Erbrechen verbunden

    • Nystagmus meist horizontal mit der raschen Komponente zur Gegenseite

  • zentraler Schwindel:

    • Attacke eher länger

    • seltener mit Erbrechen verbunden

    • Nystagmus häufiger vertikal, u. U. rotatorisch und dissoziiert

Wie unterscheidet sich der Nystagmus beim peripher-vestibulären Schwindel von dem beim zentral-vestibulären Schwindel?
Antwort:

Durch die Ermüdlichkeit und die Auslenkung.

Kommentar:
  • Nystagmus bei peripherem Schwindel:

    • ermüdlich, bei Provokation bereits nach wenigen Sekunden verändert

    • unabhängig von der Blickrichtung immer zur gleichen Seite (richtungsbestimmt)

  • Nystagmus bei zentralem Schwindel:

    • nicht oder nur kaum ermüdlich

    • Blickrichtungsnystagmus, dessen Amplitude sich in Richtung der Läsionsseite verstärkt

Welche klinischen Symptome helfen außerdem bei der Unterscheidung zwischen peripher-vestibulärem und zentral-vestibulärem Schwindel?
Antwort:

Das Hörvermögen und das Vorhandensein oder Fehlen von Hirnstammsymptomen.

Kommentar:
  • peripher-vestibulärer Schwindel:

    • Hörvermögen häufig mitbeteiligt im Sinne einer Hörminderung oder eines Tinnitus

  • zentral-vestibulärer Schwindel:

    • Hörvermögen nicht betroffen

    • häufiger weitere Hirnstammsymptome

Eine 45-jährige Patientin stellt sich mit seit etwa 4 Wochen wiederholt auftretenden Schwindelattacken vor. Außerdem bestehen eine leichte Hörminderung rechts sowie ein intermittierend auftretender Tinnitus. Die genaue Anamnese ergibt jedoch einen eher ungerichteten und unsystematischen Schwindel, die neurologische Untersuchung eine diskrete Hypästhesie im Bereich des 2. und 3. Trigeminusastes. Welche Differenzialdiagnose ist am wahrscheinlichsten?
Antwort:

Ein Tumor des Kleinhirnbrückenwinkels (Akustikusneurinom).

Kommentar:

Die klinische Symptomatik des Kleinhirnbrückenwinkeltumors variiert stark und kann insbesondere auch als Morbus Menière missdeutet werden. Typischerweise sind die Schwindelanfälle nicht attackenartig, die Symptomatik insgesamt ist eher progredient. Typisch sind im weiteren Verlauf die Beteiligung anderer Hirnnerven wie des N. trigeminus oder N. facialis, in späteren Stadien auch der Hirnstamm- und Pyramidenbahnen sowie das Auftreten von Kleinhirnzeichen.

Welche Schwindelformen sind am häufigsten?
Antwort:

Am häufigsten ist der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel, der bei bis zu 5 % aller Menschen mindestens einmal im Leben auftritt. Frauen sind im Verhältnis 2 : 1 häufiger betroffen als Männer. Der Morbus Menière ist mit einer Prävalenz von 50/100 000 ebenfalls relativ häufig.

Kommentar:

Der akute Labyrinthausfall (Neuritis vestibularis) ist wesentlich seltener (1 – 2 pro 100 000). Das Akustikusneurinom ist mit einer Prävalenz von ca. 1 pro 100 000 ebenfalls selten.

Eine 32-jährige, sonst gesunde Patientin berichtet über phasenweise auftretende Schwindelattacken, die mit einem Angstgefühl, Schweißausbrüchen, Herzklopfen und einem Kloßgefühl im Hals einhergehen. Nach der Anamnese handelt es sich eher um einen unsystematischen, ungerichteten Schwindel. Die neurologische Untersuchung ist unergiebig. Welche ist die wahrscheinlichste Differenzialdiagnose?
Antwort:

Hier handelt es sich am ehesten um einen typischen Attackenschwindel im Rahmen spezifischer Ereignisse und Umstände (Platzangst etc.) oder im Rahmen einer Panikattacke.

Kommentar:

Die Therapie erfolgt verhaltenstherapeutisch und kann bei Bedarf mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern oder trizyklischen Antidepressiva ergänzt werden.

Welche Medikamente können das Innenohr sowie das Gleichgewichtsorgan unmittelbar schädigen?
Antwort:

Insbesondere Antibiotika vom Aminoglykosidtyp.

Kommentar:

Besonders gefährlich ist die Kombination von Aminoglykosiden mit Diuretika wie Furosemid (Lasix).

Welches ist die sinnvollste Therapie des paroxysmalen Lagerungsschwindels?
Antwort:

Lagerungsübungen haben den besten Effekt. Dabei lernt der Patient, durch die wiederholte Änderung der Körperposition die Schwindelattacken kontrolliert auszulösen. Das Gleichgewichtssystem adaptiert sich dann zunehmend an den Reiz und zeigt eine abnehmende Reizantwort, was zu einer Symptomlinderung führt.

Kommentar:

Eine medikamentöse Therapie mit Antiemetika ist nicht sinnvoll, sondern verzögert sogar den Adaptationsprozess.

Welche Symptome sind bei einer Vestibularisparoxysmie zu erwarten und wie wird diese am besten therapiert?
Antwort:

Typisch sind kurze häufige Attacken im Sinne von Dreh-, aber auch Schwankschwindel für Sekunden bis Minuten. Die Attacken können häufig durch spezifische Kopfpositionen ausgelöst werden. Die Therapie erfolgt ähnlich wie bei der Trigeminusneuralgie mit Natriumkanalblockern wie Carbamazepin.

Kommentar:

Bei der Vestibularisparoxysmie kommt es selten – ähnlich wie beim Morbus Menière – zu einer Hörminderung sowie einem Tinnitus während der Attacken, die jedoch signifikant kürzer sind als beim Morbus Menière.

Ein 40-jähriger Mann wird wegen eines seit mehreren Tagen bestehenden Drehschwindels mit begleitenden Hörstörungen vorstellig und berichtet, dass die Symptomatik im direkten Anschluss an das Heben eines schweren Gegenstandes aufgetreten sei. Welche Differenzialdiagnose kommt am ehesten infrage?
Antwort:

Hier handelt es sich am ehesten um eine spontane Perilymphfistel.

Kommentar:

Perilymphfisteln entstehen durch die pathologische Verbindung des Perilymphraumes mit dem Mittelohr. Ursächlich sind meist traumatische Druckbelastungen, ein Barotrauma, Schädeltrauma oder Ohrtraumata. Die Therapie ist zunächst konservativ, da sich die meisten Fisteln wieder spontan schließen. Operative Verschlüsse sind nur selten notwendig.

Welcher Nystagmus lässt sich ausschließlich bei zentralen Läsionen finden?
Antwort:

Ein Downbeatoder Upbeat-Nystagmus.

Kommentar:

Der Downbeat-Nystagmus, bei dem die schnellen Bewegungen nach unten gerichtet sind, ist in der Regel mit zerebellären Läsionen vergesellschaftet.

Was versteht man unter einer Tumarkin-Otolithenkrise?
Antwort:

Ähnlich den Drop Attacks bei vertebrobasilären Ischämien kommt es plötzlich zu rezidivierenden Stürzen in Verbindung mit spontan einsetzendem Drehschwindel, ohne dass bestimmte Auslöser oder Bewusstseinsstörungen vorliegen. Ursächlich sind Sacculus oder Utriculus-Reizungen durch endolymphatische Druckschwankungen.

Kommentar:

Die Behandlung erfolgt zunächst konservativ, da die Prognose in den meisten Fällen gut ist. Bei fehlender Rückbildung kann eine intratympanale Gentamicin-Behandlung diskutiert werden. Bei absoluter Therapieresistenz kommt auch eine operative Labyrinthektomie infrage.