Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(02): 49
DOI: 10.1055/s-0042-104717
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Neonatologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kinder mit geringem Gewicht – „Känguruhen“ verbessert das neonatale Outcome

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Publication Date:
25 April 2016 (online)

Hintergrund: Bereits im Jahr 1978 entwickelte der kolumbianische Neonatologe Dr. Edgar Rey Sanabria die sogenannte „Känguru“-Methode als Alternative zur Inkubatorversorgung von Kindern mit geringem Geburtsgewicht. Laut WHO-Definition umfasst das „Känguruhen“ den frühen und dauerhaften Hautkontakt zwischen Mutter und Kind, das ausschließliche Stillen sowie die frühzeitige Klinikentlassung und engmaschige häusliche Nachbetreuung der Kinder. Die US-amerikanische Arbeitsgruppe aus Boston / Massachusetts hat nun anhand einer Metaanalyse die Vor- und Nachteile des Känguruhens hinsichtlich des neonatalen Outcome untersucht.

Methoden: Mittels systematischer Literaturrecherche wurden 124 wissenschaftlichen Untersuchungen identifiziert, die sich mit der Känguru-Pflege von Frühgeborenen bzw. reifen Neugeborenen befassen und eine Auswertung neonataler Outcome-Parameter erlauben. Hierbei wurden alle Studien berücksichtigt, bei welchen das Känguruhen wenigstens den Hautkontakt von Mutter und Kind umfasste.

Ergebnisse: Der überwiegende Teil der Studien wurde zwischen 2000 und 2014 in Ländern mit mittlerem oder hohem Einkommen veröffentlicht. Die Studienpopulation umfasste in 68 % der Fälle Frühgeborene (< 37 SSW), in 19 % reife Neugeborene und in 13 % Kinder jeglichen Gestationsalters. In 58 % der Studien wurden Kinder mit geringem (≤ 2500 g) und in 19 % Kinder mit sehr geringem (≤ 1500 g) Geburtsgewicht untersucht. Bei 68 % der Studien wurde die Känguru-Pflege ausschließlich über den Hautkontakt definiert und in 13 % bzw. 19 % der Fälle wurden zusätzlich das ausschließliche Stillen bzw. die Parameter „frühe Klinikentlassung“ und „häusliche Nachbetreuung“ einbezogen. Bei mittels Känguru-Pflege behandelten Kindern ließ sich im Vergleich zu konventionell betreuten Neugeborenen insgesamt eine Mortalitätsreduktion um 23 % nachweisen (RR 0,77; 95 %-CI 0,60–0,99; p = 0,05). Insbesondere die Kinder mit geringem Geburtsgewicht profitierten hierbei von der Känguru-Methode (RR 0,64; 0,46–0,89; p = 0,01). Känguruhen verringerte das Risiko für eine neonatale Sepsis (RR 0,53; 0,34–0,83; p = 0,01), für eine Hypothermie (RR 0,22; 0,12–0,41; p < 0,01), für eine Hypoglykämie (RR 0,12; 0,05–0,32; p < 0,01) sowie für eine stationäre Wiederaufnahme (RR 0,42; 0,23–0,76; p < 0,01). Ferner erhöhte sich durch das Känguruhen die Wahrscheinlichkeit für ein ausschließliches Stillen des Kindes signifikant (RR 1,50; 1,26–1,78; p < 0,01), und die nach der Känguru-Methode behandelten Kinder wiesen eine signifikant geringere Atemfrequenz, eine höhere Körpertemperatur und eine höhere Sauerstoffsättigung auf, zeigten ein stärkeres Wachstum des Kopfumfangs und hatten signifikant geringere Schmerz-Scores. Die durchschnittliche Herzfrequenz, die Dauer des Klinikaufenthalts, die kindliche Gewichts- und Längenzunahme sowie das Risiko für eine nekrotisierende Enterokolitis, für Apnoe-Phasen und für eine Hyperthermie unterschieden sich hingegen bei Kindern mit und ohne Känguru-Pflege nicht.

Fazit

Aufgrund der belegten günstigen Auswirkungen der Känguru-Pflege auf das neonatale Outcome bei fehlendem Nachweis nachteiliger Folgen, so die Empfehlung der Autoren, sollte die Anwendung dieser sicheren und kosteneffizienten Methode bei der Betreuung von Früh- und Neugeborenen gefördert werden. Die optimale Dauer des Hautkontakts von Mutter und Kind sei jedoch anhand der vorliegenden Daten nicht hinreichend zu klären und müsse weiter evaluiert werden.

Dr. Judith Lorenz, Künzell