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DOI: 10.1055/s-0041-1739901
Clean4us – Thüringer Versorgungsmodell für konsumierende Schwangere und deren Kinder
Fragestellung In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der erfassten Patienten mit einer Suchtproblematik um mehr als das Siebenfache gestiegen. In der Suchthilfestatistik 2019 gaben 43,6% der Befragten Patientinnen in ambulanten Einrichtungen an, mindestens ein Kind zu haben, 2,4% der Klientinnen gaben eine Schwangerschaft zu Beginn der Betreuung an. Auf Grund dieses zunehmenden Versorgungsbedarfes initiierte die Thüringer Landesregierung das Modellprojekt clean4us für v.a. Methamphetamin konsumierende Schwangere und ihre Kinder.
Struktur des Netzwerkes Eine besondere Problematik im Themenbereich Sucht und Schwangerschaft ist die schwierige Erreichbarkeit der Klientel aufgrund der Stigmatisierung und bestehender Ängste der Mütter, ihre Kinder durch Inobhutnahme durch das Jugendamt zu verlieren. Um dieser Schwierigkeit zu begegnen, arbeitet das Projekt stetig in der Vernetzung der bestehenden Hilfsangebote, v.a. mit niedrigschwelligen Angeboten.
Die zentrale Rolle in diesem Netzwerk übernimmt die am Perinatalzentrum Jena angebundene Case Managerin, die mit der Betroffenen ein für sie passendes Hilfsangebot entwickelt und sie beim Aufsuchen und der Aufrechterhaltung des Hilfsangebots unterstützt.
Als möglicher Zugang besteht seit Sommer 2021 eine aktive Vernetzungsarbeit mit Helfern der niedrigschwelligen Hilfen für schwer zugängliches Klientel in Jena: mit der Streetwork Jena und Spritzentauschstelle (Drudel 11e.V.), der AIDS Hilfe Thüringen, sowie der Initiative „Tausendschön“, als zugehende Arbeit mit Prostituierten. Gemeinsam mit den Kolleg*innen, finden in regelmäßigen Abständen, Kontaktangebote für mögliche Klientinnen oder deren Kontaktpersonen in bekannten Jenaer „Szenebereichen“ statt. Die Casemanagerin agiert hier als Kontaktperson und bietet anonym und unverbindlich Informationen an, auch werden an entsprechende Kontaktschnittstellen (z.B. Spritzentauschstelle) Schwangerschaftstest oder Drogentest, sowie Infomaterial zu clean4us ausgelegt.
Schlussfolgerungen Um die Akzeptanz der jeweiligen Hilfe durch die Mütter zu fördern, ist dringend eine vertrauensbildende Arbeit, sowie enttabuisierende und motivierende Öffentlichkeitsarbeit zum Thema in der Gesellschaft nötig. Damit die Betroffenen den Zugang zu einer entsprechenden Hilfe finden, ist im Vorfeld eine längere Phase von sensiblen Kontaktaufnahmen und eine aufmerksame Anamnese von speziellen, symptomatischen Bedarfen von Nöten. Die typischerweise multiplen, psychosozialen und langwierigen Probleme des Klientel, führen meist zu einem sehr großen und teilweise ineffizient gewordenem Hilfenetz. Effektive Hilfe, die am individuellen Bedarf der Frau ansetzt, muss in jedem Einzelfall neu abgeklärt und angepasst werden.
Die Case Managerin strukturiert daher in jedem Einzelfall das Helfernetz individuell neu, und entwickelt mit der Frau gemeinsam einen gangbaren Weg, der das Wohl von Mutter und Kind und ein gemeinsames, gesundes Leben im Fokus hat.


Publication History
Article published online:
26 November 2021
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
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Germany