Z Geburtshilfe Neonatol 2021; 225(S 01): e88
DOI: 10.1055/s-0041-1739900
Abstracts | DGPM

Die Rolle eines Hebammennetzwerkes in der Frühen Förderung

S Grylka-Bäschlin
1   ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Institut für Hebammen, Forschungsstelle Hebammenwissenschaft, Winterthur, Schweiz
,
P Zsindely
1   ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Institut für Hebammen, Forschungsstelle Hebammenwissenschaft, Winterthur, Schweiz
,
K Iseli
2   Verein Thurgauer Hebammen, Kreuzlingen, Schweiz
,
A Weber-Käser
2   Verein Thurgauer Hebammen, Kreuzlingen, Schweiz
› Author Affiliations
 

Fragestellung Projekte der Frühen Förderung bezwecken, psychosozial benachteiligte Familien zu unterstützen, damit ihre Kinder sich gut entwickeln und sich ihre sozialen Chancen im späteren Leben erhöhen. Eine lückenlose Versorgung ab Geburt ist für den Erfolg solcher Projekte wichtig. Freipraktizierende Hebammen übernehmen in der Versorgungskette eine wichtige Rolle, da sie ein niederschwelliges Wochenbettbetreuungsangebot für die erste Zeit nach dem Klinikaufenthalt anbieten. Hebammennetzwerke unterstützen Familien, die sich nicht selbst eine Hebamme organisieren können und bieten eine Betreuungsgarantie. Ziel dieser Studie ist, die Rolle eines Hebammennetzwerkes in der Frühen Förderung zu evaluieren.

Methode Die Evaluationsstudie umfasste drei Teilstudien: 1) Während eines Jahres wurden soziodemographische und perinatale Daten sowie Betreuungsaspekte von 192 der 240 vermittelten Wöchnerinnen (80,0%) in einem Erhebungstool erfasst. Zudem wurde mit den im Netzwerk tätigen Hebammen eine Onlineumfrage durchführt (n=41 Teilnehmerinnen, Rücklaufquote 91,1%). Mit insgesamt 15 Stakeholder/-innen wurden Einzel- und Gruppeninterviews geführt. Quantitativen Daten wurden deskriptiv mit R 4.0.3 und Stata 15 analysiert. Interviews wurden transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse Ein Großteil der vermittelten Frauen war ausländischer Nationalität (81,8%) und 30,7% hatte keine abgeschlossene Ausbildung. Insgesamt 66,7% der Hebammen besuchten die über die Hotline vermittelten Frauen gleich häufig wie Frauen, die selber eine Hebamme organisiert hatten; 23,1% etwas oder deutlich weniger häufig und 10,3% etwas oder deutlich häufiger. Nur wenige Hebammen (10,3%) wendeten Assessmentinstrumente für die Kindeswohlgefährdung häufig oder systematisch an, obwohl fast alle (92,3%) diese kannten. Aspekte zur Wichtigkeit der Vermittlungshotline für die Frühe Förderung fanden sich in den Themen «Versorgung im Netzwerk», «Nutzen für die Stakeholder» und «Frau und Familie» der Interviews. Mehrere Stakeholder betonten die wichtige Rolle der Hebammen im regionalen Projekt der Frühen Förderung. Das Schnittstellenmanagement zur Klinik funktionierte einwandfrei, dasjenige zu den nachfolgenden Angeboten schien jedoch verbesserungswürdig.

Schlussfolgerungen Das Hebammennetzwerk ermöglichte sozial benachteiligten Familien eine Wochenbettbetreuung und damit den Verbleib in der Versorgungskette. In den meisten Fällen unterschied sich die Häufigkeit der Besuche bei den vermittelten Frauen nicht von anderen Frauen. Abweichungen waren jedoch nach oben und unten zu beobachten. Die geringe Anwendung der Assessmentinstrumente wies auf einen Weiterbildungsbedarf der im Netzwerk tätigen Hebammen hin. Obwohl Verbesserungsbedarf an der Schnittstelle für die Weiterbetreuung festgestellt wurde, anerkannten die Stakeholder die wichtige Rolle der Hebammen in der Frühen Förderung. Daraus lässt sich ein Vorbildcharakter des Netzwerkes für andere Regionen erkennen.



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Article published online:
26 November 2021

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