Z Geburtshilfe Neonatol 2021; 225(S 01): e57
DOI: 10.1055/s-0041-1739835
Abstracts | DGPM

Personelle Versorgungssituation ohne Vorgaben der Qualitätssicherungsrichtlinie Früh- und Reifgeborene (QFR-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Analyse der Allokation personeller Ressourcen auf neonatologischen Intensivstationen unter Aussetzen der QFR-RL während der Corona-Pandemie

M Kleeberg
1   Cnopfsche Kinderklinik Nürnberg, Neonatologie, Nürnberg, Deutschland
,
M Schroth
1   Cnopfsche Kinderklinik Nürnberg, Neonatologie, Nürnberg, Deutschland
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Hintergrund Die QFR-RL des G-BA stellt hohe personelle Anforderungen an die versorgenden Zentren. Diese Anforderungen können oftmals nicht erfüllt werden, so dass nachteilige Effekte auf die Versorgung weiterer Patienten sowie ungeplanter Aufnahmen entstehen. Dies konnten wir bereits in einer Erhebung aus 2018 darlegen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden in 2020 Teile der Vorgaben der QFR-RL außer Kraft gesetzt. Die vorliegende Analyse vergleicht nun die Versorgungssituation auf NICU unter bestehenden Vorgaben der QFR-RL mit der Situation unter Aussetzen der QFR-RL, und somit einer Ressourcenzuteilung durch die versorgenden Zentren selbst, hinsichtlich der personellen Ressourcenallokation sowie der noch freien pflegerischen Personalkapazität (pPK) für akut zu versorgende Patienten.

Methodik Aus einem regionalen Verbund von drei großen PNZ (Level 1) mit zusammen ca. 10 000 Geburten pro Jahr wurde der Anteil der 1:1/1:2-Versorgten, Patientenzahl pro Pflegekraft (Pat/P) und pPK über einen Zeitraum von fünf Monaten der Jahre 2018 und 2020 hinsichtlich Erfüllungsgrad der QFR-RL bzw. der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) sowie der Anteile der einzelnen Patientengruppen und den zugeteilten Personalressourcen statistisch ausgewertet und miteinander verglichen.

Ergebnisse Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Gesamtbelegung der Schichten zwischen den Jahren 2018 (n=1359) und 2020 (n=1377) im PNZ-Verbund. In den Zentren ergaben sich jedoch signifikante Unterschiede. In Zentrum 1 (Z1) war die Belegung 2020 im Mittel um 2 Patienten niedriger, während sie in den beiden anderen Zentren um etwa je einen Patienten höher lag (p<0,001). Die Belegung mit Frühgeborenen unter 1500 g stieg in Zentrum 2 (Z2) und 3 (Z3) signifikant an (jeweils p<0,001). Der Anteil weiterer Patienten war in allen Zentren signifikant niedriger (p<0,001). Auch waren in allen Zentren im Mittel etwa 0,5 Pflegekräfte pro Schicht weniger eingesetzt. Die Erfüllungsquote der QFR-RL steigerte sich in allen Zentren auf 100%. Die DGPM-Erfüllungsquote verschlechterte sich in Z2 und Z3 z.T. gravierend (Abb. 1). Die Pat/P sank in Z1, während sie trotz der niedrigeren Belegung in Z2 und Z3 deutlich anstieg (Abb. 2a und 2b). Freie pPK war in Z1 und Z3 mit durchschnittlich 0,5 Pflegekräften vorhanden, in Z2 jedoch praktisch nie.

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Abb. 1
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Abb. 1

Schlussfolgerungen Trotz Aussetzen der QFR-RL erfüllten alle Zentren deren Vorgaben zu 100%. Eine individuelle Ressourcenallokation fand offensichtlich nicht statt. Allerdings zeigte sich eine deutliche Verschlechterung der personellen Versorgung der weiteren Patienten bei durchschnittlich weniger eingesetzten bzw. verfügbaren Pflegekräften. Auch war freie Personalkapazität weiterhin knapp bis nicht vorhanden. Offensichtlich bestand weiterhin die Fokussierung auf eine Erfüllung der QFR-RL bei gleichzeitiger Zuspitzung des Mangels an Personalressourcen für weitere Patienten. Die Heterogenität der einzelnen Zentren diesbezüglich trotz einheitlicher Erfüllung der QFR-RL, unterstreicht die mangelnde Reliabilität selbiger hinsichtlich der Sicherstellung einer adäquaten Versorgung aller Patientengruppen. Eine Weiterentwicklung der Vorgaben mit dem Ziel einer optimierten Ressourcenallokation ist dringend anzustreben.



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Article published online:
26 November 2021

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