Z Geburtshilfe Neonatol 2021; 225(S 01): e29-e30
DOI: 10.1055/s-0041-1739776
Abstracts | DGPM

Deformierung des Okzipitalbereiches mit Beteiligung des Cerebrums durch frühzeitiges, ausgeprägtes Amnionstrangsyndrom

S Dargel
1   Uniklinikum Jena, Klinik für Geburtsmedizin, Jena, Deutschland
,
J Westphal
1   Uniklinikum Jena, Klinik für Geburtsmedizin, Jena, Deutschland
,
J Beyer
1   Uniklinikum Jena, Klinik für Geburtsmedizin, Jena, Deutschland
,
E Schleußner
1   Uniklinikum Jena, Klinik für Geburtsmedizin, Jena, Deutschland
› Author Affiliations
 

Hintergrund Amnionstränge treten mit einer Häufigkeit von 1:2000 bis 1:15000 auf, wobei beide Geschlechter gleich häufig betroffen sind. Durch das Ablösen oder Einreißen des Amnions können diese Strukturen entstehen. Die Ätiologie ist noch nicht abschließend geklärt. Stoffwechselerkankungen der Mutter, mechanische Einwirkungen als auch eine vererbte Neigung werden als mögliche Auslöser angeführt. Beim Amnionstrangsyndrom können ganze Extremitäten, einzelne Teile oder die Nabelschnur ein- oder abgeschnürt werden. Schwerste Formen zeigen Abschnürungen an Gehirn und Bauchwand. Unbehandelt kann dies zum Verlust des Körperteils bis hin zum intrauterinen Fruchttod (IUFT) führen.

Fallbericht Wir berichten über eine 36-jährige V-Gravida, IV-Para, welche wir seit der Frühschwangerschaft in unserer pränatalmedizinischen Ambulanz betreuen. Die Patientin hat bereits vier gesunde Kinder per primärer Sectio caesarea in Libyen geboren.

In der 15.+2 Schwangerschaftswoche (SSW) sahen wir erstmals einen zeigerecht entwickelten, männlichen Feten mit auffälliger Kopf- und Hirnentwicklung. Eine ausgeprägte Destruktion des Okzipitalbereiches bei Amnionstrangsequenz und Beteiligung des Cerebrums konnte diagnostiziert werden – sonst unauffällige Sonoanatomie, insbesondere keine Beeinträchtigung in der Entwicklung der Extremitäten. Eine invasive Diagnostik wurde seitens der Patientin nicht gewünscht.

Die Prognose dieses Amnionstrangsyndrom ist abhängig von Größe, Inhaltes und Lokalisation der Enzephalozele. Auf Grund der hier durch den Amnionstrang sehr früh in der Schwangerschaft stattgehabten Störung der fetalen Gehirnentwicklung, ist die Prognose insgesamt sehr ungünstig zu bewerten. Auf Grund des religiösen Hintergrundes des Elternpaares und Darlegung aller Optionen in einem perinatologischen Konsils wurde die Fortsetzung der Schwangerschaft vereinbart.

Aktuell befindet sich die Patientin in der 30. SSW. Bis auf die Veränderungen des Schädels zeigt sich eine zeitgerechte fetale Entwicklung mit unauffälliger fetomaternaler Perfusion. Ein fetales MRT ist geplant.

Die Entbindung ist bei stabilem Verlauf per primäre Re-Re-Re-Re-Sectio in der vo. 37. SSW vorgesehen. Die nachgeburtliche, palliative Versorgung des Kindes wurde besprochen. Der zeitliche Rahmen dieser Maßnahmen kann aktuell nicht abgeschätzt werden.

Diskussion Während bei Abschnürungen der Extremitäten oder Nabelschnur durch einen Amnionstrang die Möglichkeit der fetoskopischen Durchtrennung zu prüfen ist, fehlen bei der hier aufgezeigten schwersten Form sinnhafte, experimentelle oder kausale Therapieoptionen. Eine interdisziplinäre Betreuung der Patientin prä-, peri- und postnatal ist daher unabdingbar.



Publication History

Article published online:
26 November 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany