Gesundheitswesen 2021; 83(08/09): 696-697
DOI: 10.1055/s-0041-1732104
Donnerstag 23.09.2021
Vorträge

„Ich will auf keinen Fall von meinen Kindern gepflegt werden!“ – Welche Faktoren sind mit der Ablehnung informeller Pflege assoziiert?

F Fischer
1   Hochschule Ravensburg-Weingarten, Institut für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung, Weingarten, Deutschland
,
L Raiber
1   Hochschule Ravensburg-Weingarten, Institut für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung, Weingarten, Deutschland
,
C Boscher
1   Hochschule Ravensburg-Weingarten, Institut für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung, Weingarten, Deutschland
,
MH-J Winter
1   Hochschule Ravensburg-Weingarten, Institut für Gerontologische Versorgungs- und Pflegeforschung, Weingarten, Deutschland
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Einleitung Die Familie ist hierzulande der größte Pflegedienst der Nation. Inwieweit dies auch zukünftig gilt, ist unklar, da Pflegebedürftige prinzipiell mit darüber entscheiden, wer sie pflegen soll und kann. Der Beitrag diskutiert daher jene Faktoren, die mit einer Ablehnung familialer Pflege durch Kinder bei Personen im pflegenahen Alter assoziiert sind.

Methoden Datengrundlage ist eine repräsentative, schriftliche Querschnittsbefragung von 65- bis 75-Jährigen in Süddeutschland. In der Auswertung wurden Personen mit mindestens einem Kind berücksichtigt und gefragt, wie sehr sie der Aussage zustimmen, nicht von den eigenen Kindern gepflegt werden zu wollen. Neben deskriptiven und bivariaten Analysen wurde ein Regressionsmodell (n = 474) berechnet.

Ergebnisse Insgesamt stimmen 44,1% der Aussage (eher) zu, dass sie nicht von ihren Kindern gepflegt werden möchten. Männer lehnen dieses Pflegearrangement weniger stark ab als Frauen (OR = 0,66; 95% CI: 0,44-0,98; p = 0,038). Hinsichtlich Alter, Familienstand und auch der Auseinandersetzung mit dem Thema „Pflege im Alter“ gibt es keine signifikanten Unterschiede. Personen mit nur einem Kind lehnen familiale Pflege hingegen deutlich stärker ab als Befragte mit mehreren Kindern (OR = 2,12; 95% CI: 1,35-3,33; p < 0,001). Ferner lehnen Personen, die bereits hauptverantwortlich oder unterstützend an der Pflege einer nahestehenden Person beteiligt waren, die Pflege durch ihre Kinder stärker ab als Personen ohne solche Vorerfahrungen (OR = 1,79; 95% CI: 1,19-2,70; p = 0,005).

Fazit Die vergleichsweise hohe (prospektive) Ablehnung familialer Pflege wird das personell ohnehin belastete Pflegesystem vor weitere Herausforderungen stellen. Deshalb ist eine quantitative sowie qualitative Weiterentwicklung der Pflege dringend erforderlich, um sie vor einem Kollaps zu bewahren.



Publication History

Article published online:
02 September 2021

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