intensiv 2016; 24(02): 66-67
DOI: 10.1055/s-0041-111121
Kolumne · Rechtsticker
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kolumne · Rechtsticker

Heidi Günther
,
Tobias Weimer
1   WEIMER I BORK – Kanzlei für Medizin-, Arbeits- & Strafrecht, Frielinghausstr. 8, 44803 Bochum, Email: info@kanzlei-weimer-bork.de
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Publication Date:
07 March 2016 (online)

KOLUMNE

Auf ein Wort!

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(Foto: Paavo Blåfield)

Wer auf andere Leute wirken will,
der muss erst einmal in ihrer
Sprache mit ihnen reden.

(Kurt Tucholsky (1890–1935), deutscher Schriftsteller)

Auch im vergangenen Jahr wurden wieder das Wort, das Unwort, der Satz und auch das Jugendwort des Jahres gekürt und veröffentlicht.

Während das Wort des Jahres 2015 wie zu erwarten und wahrscheinlich auch zu Recht „Flüchtlinge“ ist, sind das Unwort und der Satz des Jahres jetzt, wo ich gerade die Kolumne schreibe, noch gar nicht erschienen. Es ist für mich also noch spannend und vielleicht gibt die Wahl des Unwortes und des Satzes ja wieder Inspiration für eine neue Kolumne her. 2014 hatten wir ja folgende Wortschöpfungen im Rennen: „Lichtgrenze“, „Lügenpresse“, „Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen“ und „Läuft bei dir“. Letzteres in dieser Auflistung fand ich zunächst irgendwie seltsam und dann, nachdem ich mich ein bisschen schlau gemacht hatte, so „na ja“.

Als ich dann aber hörte, was in diesem Jahr das Jugendwort des Jahres (und darum geht es hier!) ist, fand ich die Wahl vom vergangenen Jahr fast schon blitzgescheit. Das Jugendwort des Jahres 2015 ist „Smombie“. Eine Wortschöpfung aus der Kombination der Worte Smartphone und Zombie, das Menschen beschreiben soll, die nur noch auf ihr Handy starren. Habe ich noch nie gehört. Ich weiß schon, dass meine Altersgruppe nicht gerade die Zielgruppe dieser Kommunikationsschöpfungen ist. Aber Florian Langenscheidt, Verleger und Initiator dieser Wahl, geboren 1955 und damit um einiges älter als ich, auch nicht. Dabei hat dieser Mann sogar Germanistik studiert! Mit dem „Jugendwort des Jahres“ wirbt der Münchner Langenscheidt-Verlag allerdings seit 2008 für sein Buch „100 % Jugendsprache“. Und dafür ist offensichtlich alles recht und nichts zu dumm.

Aber auch ich lebe ja nicht im luftleeren Raum. Ich habe Familie, Freunde, Bekannte und Kollegen. Von den Patienten ganz zu schweigen. Und mit allen rede ich und sie mit mir. Aber dass irgendwer mal irgendjemanden als Smombie beschrieben hat, hat nie stattgefunden oder ich habe es in höchster Geschwindigkeit wieder verdrängt. Wenn das so ist, dann aber auch mit gutem Recht. Bei uns in der Presse wurde sogar schon bezweifelt, ob junge Leute wirklich so reden. Ich glaube, obwohl ich da wirklich schon einiges erlebt und gehört habe, eher nicht. Und vieles, was einst als Jugendsprache deklariert wurde, hat sich ja auch schnell wieder in die ewigen Jagdgründe der Sprachfindungen verdünnisiert. So hat sich in den letzten hundert Jahren der Ausdruck für größte Bewunderung von famos und delikat (um 1900) über dufte und flott (70iger Jahre), ultrakrass und granatenmäßig (90iger Jahre) bis zu endgeil und fett verändert. Bis zur heutigen Zeit sind von all diesen Wortschöpfungen nur noch rudimentäre Reste übrig geblieben und auch ich erwische mich schon mal bei einem Ausbruch von Erstaunen, dass ich etwas geil oder krass finde. Aber das war es dann auch schon. Und ich bin ziemlich froh, dass die jungen Kolleginnen und Krankenpflegeschüler in diversen Pflegeberichten und Dienstübergaben auf ihr in der Schule erlerntes Hochdeutsch zugreifen. Und sich dann auch der ehemals erlernten Rechtschreibung und – wenn man großes Glück hat – auch der Grammatik erinnern.

Pfiffiger als bei uns mit der Wahl des Jugendworts des Jahres haben es die Engländer gemacht. Dort wurde von den Oxford Dictionaries als Wort des Jahres ein Emoji gewählt. Um ganz genau zu sein, das „Tränen der Freude“. Nicht, dass ich bis eben überhaupt wusste, was das ist. Ich habe mir das von einer jungen Kollegin erklären und auf dem Handy zeigen lassen. Und musste feststellen: Das ist gar kein Wort. Und von diesen Emoji-Dingern gibt es hunderte auf ihrem Handy. Für jede Lebenssituation war etwas dabei. Freude, Trauer, Weihnachten, Gerüche, Geräusche, Familie, egal ob hetero oder homosexuell, Mode, Tiere, Pflanzen, Essen, Sport, Gesundheit, sogar Tod. Alles, was unser aller Leben so hergibt. Und ganz ohne Worte! Da frage ich mich doch ernsthaft, warum ich mir Monat für Monat Mühe und Gedanken mache, um eine halbwegs witzige und wortgewandte Kolumne zustande zu bringen. Ich könnte es so viel einfacher haben und platzsparend und international wäre es auch.

Ach, was ich unbedingt zu diesem Thema noch loswerden wollte:

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In diesem Sinne,

Ihre
Heidi Günther
hguenther@schoen-kliniken.de

PS: Ganz aktuell und noch kurz vor Druck der Zeitschrift gekürt: Das Unwort des Jahres lautet „Gutmensch“.