Krankenhaushygiene up2date 2015; 10(04): 265-274
DOI: 10.1055/s-0041-110284
Nosokomiale Infektionen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mikrobiologisches Kolonisationsscreening bei intensivmedizinisch behandelten Früh- und Neugeborenen

Simone Scheithauer
,
Arne Simon
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Publication Date:
28 December 2015 (online)

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Kernaussagen
  • Die wissenschaftliche Basis für das von der KRINKO empfohlene, generelle Kolonisationsscreening bei intensivmedizinisch behandelten Früh- und Neugeborenen ist (zurückhaltend formuliert) bis heute sehr schmal.

  • Im Wesentlichen wird die Motivation für ein solches Screening vom Vorsorgeprinzip im Risikomanagement getragen und mit der extremen Vulnerabilität und den mannigfachen negativen Konsequenzen von NI bei Frühgeborenen nachvollziehbar begründet [9].

  • Ohne Zweifel hat auch die öffentliche Diskussion über Infektionsausbrüche in der Neonatologie zur Entscheidung der KRINKO-Arbeitsgruppe beigetragen, ein solches Screening einzuführen.

  • Tatsächlich werden dringend Ergebnisse von qualitativ guten Beobachtungsstudien benötigt, die den Einfluss dieser kosten- und personalintensiven Maßnahme auf nosokomiale Transmissionen, nosokomiale Infektionen und auf die Häufigkeit (und das Ausmaß) von Infektionsausbrüchen genauer darstellen [21]. Hierzu braucht es qualitativ valide Daten aus deutschen Level-1-NICUs, die unabhängige Risikofaktoren für das Auftreten von „Late-onset“-Infektionen durch multiresistente Erreger präzisieren.

  • Auch das Thema Antibiotic Stewardship in der NICU bedarf einer intensiven Bearbeitung durch die zuständigen medizinischen Fachgesellschaften (DGPI, GNPI, DGPM und weitere).

  • Insbesondere braucht es Antworten auf die Frage, ob die bekannte Kolonisation eines Frühgeborenen mit einem MRE (MRSA, MRGN) ein hinreichender Grund für die empirische Behandlung mit einem Reserveantibiotikum ist, und wie lange eine solche Therapie empirisch fortgesetzt werden soll, wenn die klinisch indizierten Kulturen steril bleiben.

  • Fragen, die noch geklärt werden müssen: Wie können die verfügbaren Informationen über kolonisierende Bakterien, Infektionserreger und deren Resistogramme („Statistiken“) für die behandelnden Ärzte besser nutzbar gemacht werden [53]? Wie können wir die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Neonatologen, Infektiologen, Krankenhaushygienikern und Mikrobiologen strukturell organisatorisch verbessern, sodass das Management von MRE, die Prävention und Kontrolle nosokomialer Infektionen und Antibiotic Stewardship nicht mehr als unterschiedliche „Fachgebiete“ sondern als Aspekte desselben Problems wahrgenommen werden [55]?

  • Die Autoren befürworten eine für Mitte 2016 geplante Expertenkonferenz beim Robert Koch-Institut in Berlin, die zur Präsentation der von einzelnen Arbeitsgruppen derzeit generierten Daten aus deutschen NICUs und zur Diskussion der Vor- und Nachteile des Kolonisationsscreenings genutzt werden soll. Aus dieser Expertenrunde könne Vorschläge zur zukünftigen Adaptation der KRINKO-Empfehlung in die Kommission hineingetragen werden.