Lege artis - Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2015; 5(1): 1
DOI: 10.1055/s-0041-100210
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Vom Umgang mit kritischen Nachfragen

Peter Galle
,
Götz Geldner
,
Julia Hecht
,
Alfred Königsrainer
,
Frank-Gerald Pajonk
,
Julia Rojahn
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. Februar 2015 (online)

Liebe Leserin, lieber Leser,

wurde Ihnen schon einmal ein Behandlungsfehler vorgeworfen? Ihre Antwort hängt wahrscheinlich davon ab, an was Sie jetzt denken: Vor Gutachterkommissionen, Schlichtungsstellen oder Gerichten landen nur relativ wenige Fälle. Aber vielleicht haben Patienten Ihnen schon einmal Sätze gesagt wie „Hätte man das nicht verhindern können?“ oder „Warum haben Sie denn nichts gemacht?“ Das heißt nicht, dass Ihnen gleich eine Anzeige droht: Bei komplizierten Verläufen und Komplikationen möchten Patienten oder Angehörige zunächst v. a. wissen, was genau passiert ist und wie es dazu kommen konnte. Was Sie dann sagen können, ohne vorschnell einen Fehler zuzugeben – und damit evtl. Ihren Versicherungsschutz zu riskieren – erklären Elmar Biermann und Rolf-Werner Bock in diesem Heft auf Seite 12.

Zum Glück sind die Verläufe selten so tragisch wie der Fall, von dem der Internist Walter Möbius in seinem Buch „Der Krankenflüsterer“ berichtet: Bei einem Patienten mit neurologischen Ausfällen diagnostizierten die Ärzte nach Angiografie einen Hirntumor – CT oder MRT gab es damals noch nicht. Eine Kollegin hatte zwar Zweifel und plädierte für eine zusätzliche Gewebepunktion, wurde aber überstimmt. Nachdem sich der Zustand nach Bestrahlung zunächst besserte, bekam der Patient nach 10 Tagen hohes Fieber, in der Lunge zeigte sich eine diffuse Zeichnung. Die Ärzte gaben ihm Antibiotika, trotzdem erlitt er einige Tage später einen Kreislauf-Schock und starb kurz darauf. Bei der Obduktion fand sich zur Überraschung aller eine Gehirntuberkulose. Bei der abgelehnten Punktion hätte man diese höchstwahrscheinlich festgestellt. Die Ärzte gaben gegenüber der Witwe des Patienten zu, dass ihr Mann falsch behandelt wurde – und rieten ihr sogar zu einer Klage gegen die Klinik, um eine Entschädigung zu erhalten.

Auch wenn ein solches Schuldeingeständnis heutzutage nicht unbedingt empfehlenswert ist: In strittigen Fällen sollten Sie dem Patienten bzw. den Angehörigen die Fakten ehrlich darlegen, Kooperationsbereitschaft und Anteilnahme zeigen. Mit etwas Glück geht es Ihnen dann wie Dr. Möbius und seinen Kollegen: Die Witwe bedankte sich für die Aufrichtigkeit der Ärzte – und verzichtete auf eine Anzeige.

Wir wünschen Ihnen ähnlich gute Erfahrungen!

Herausgeber

P. Galle, Mainz

G. Geldner, Ludwigsburg

A. Königsrainer, Tübingen

F.-G. B. Pajonk, Schäftlarn

Experten-Panel

P. Berlit, Essen

S. Bleich, Hannover

J. Bossenmayer, Stuttgart

H.- P. Bruch, Lübeck

M. Christ, Nürnberg

B. Debong, Karlsruhe

J. Glatzle, Tübingen

T. Hemmerling, Montreal

D. F. Hollo, Celle

J. Riemann, Ludwigshafen

Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Hannover

Redaktion

Dr. Julia Rojahn

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