Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(10): e247
DOI: 10.1055/s-0040-1718270
Poster
Mittwoch, 7.10.2020
Case-Report I

Das atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) in der Schwangerschaft

J Gellrich
1   Städtisches Klinikum Braunschweig, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Braunschweig, Deutschland
,
U Nitsche-Gloy
1   Städtisches Klinikum Braunschweig, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Braunschweig, Deutschland
,
C Hafer
2   Städtisches Klinikum Braunschweig, Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Braunschweig, Deutschland
,
HBG Franz
1   Städtisches Klinikum Braunschweig, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Braunschweig, Deutschland
› Author Affiliations
 

Zielsetzung Das in seltenen Fällen während/kurz nach der Schwangerschaft auftretende atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) gehört zum Kreis der thrombotischen Mikroangiopathien, die mit einer begleitenden akuten Nierenschädigung einhergehen. Eine rasche Diagnosesicherung und ein schneller Therapiebeginn sind entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf.

Case-Report Bei einer 41-jährigen Primipara mit einer Geminigravidität in der 37+0.SSW trat nach komplikationsloser Spontangeburt beider Zwillinge eine atone Nachblutung auf, die eine instrumentelle Nachtastung erforderte. Postoperativ zeigte die Patientin stark erhöhte Blutdruckwerte. Innerhalb von Stunden manifestierte sich eine akute Nierenschädigung, die durch ein Kreatinin-basiertes Warnsystem (AKI-Alert) automatisch zur Alarmierung der Nephrologen führte. Bei nicht mehr nachweisbarem Haptoglobin, erhöhtem LDH-Wert und Thrombopenie wurde der Verdacht auf eine thrombotische Mikroangiopathie gestellt. Es erfolgte die Verlegung in die Nephrologie zur Durchführung einer Nierenersatztherapie und Plasmapherese. Bei fehlenden ADAMTS13-Antikörpern und einer ADAMTS13-Aktivität von 45 % wurde die Therapie mit Eculizumab bei V.a. aHUS eingeleitet. Eine Mutation von Faktoren des Komplementsystems wurde nicht nachgewiesen.

Mit Einsetzen der Eigendiurese und rückläufigen Retentionsparametern konnte die Patientin beschwerdefrei entlassen werden. Die Nierenfunktion hat sich ein halbes Jahr nach Erstmanifestation der Erkrankung unter Eculizumab-Therapie normalisiert.

Zusammenfassung Im Falle eines aHUS sind differentialdiagnostisch zwei Erkrankungen mit ähnlicher Klinik und Laborwerten, das HELLP-Syndrom und die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) abzugrenzen. Letztere ist durch eine ADAMTS13-Proteinbestimmung auszuschließen. Die Therapie besteht aus dem Einsatz der Plasmapherese und, nach Ausschluss einer reduzierten ADAMTS13-Aktivität, der Gabe von Eculizumab, einem monoklonalen Antikörper, der sich gegen den Komplementfaktor C5 richtet. Ein langfristiges weiteres Monitoring ist wegen des schwangerschafts-unabhängigen Rezidivrisikos erforderlich.



Publication History

Article published online:
07 October 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany