Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(10): e181
DOI: 10.1055/s-0040-1718109
Poster
Mittwoch, 7.10.2020
Konservative Gynäkologie/Übergreifende Themen II

Zum Einfluss des Akkulturationsgrades bei der Inanspruchnahme gynäkologischer Notfallambulanzen durch Migrantinnen – Ergebnisse einer prospektiven Querschnittsstudie

S Schwachenwalde
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Gynäkologie, Berlin, Deutschland
,
O Sauzet
2   Universität Bielefeld, Zentrum für Statistik, Bielefeld, Deutschland
,
O Razum
3   Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld, Deutschland
,
T Borde
4   Alice Salomon Hochschule Berlin, Berlin, Deutschland
,
B Naghavi
5   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charité Comprehensive Cancer Center, Berlin, Deutschland
,
J Sehouli
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Gynäkologie, Berlin, Deutschland
,
M David
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, Gynäkologie, Berlin, Deutschland
› Author Affiliations
 

Zielsetzung Akkulturation setzt ein, wenn Individuen eine neue kulturelle Umwelt aufsuchen und sich mit dieser auf Grundlage ihrer Herkunft auseinandersetzen. Über den Einfluss von Akkulturation auf die Inanspruchnahme von Kliniken ist wenig bekannt. Es soll untersucht werden, ob sich innerhalb einer Patientinnengruppe mit Migrationshintergrund (MH) und verglichen mit Frauen ohne MH die Inanspruchnahme von Notfallambulanzen unterscheidet.

Methoden Prospektive Querschnittsanalyse über 14 Monate, standardisierte Fragebogeninterviews in einer gynäkologischen Notfallambulanz der Berliner Charité. Nicht-dringliche Nutzung war definiert durch drei system-seitige Kriterien (keine ärztliche Einweisung, kein Krankenwagentransport, keine stationäre Aufnahme) und zwei patientinnen-seitige Kriterien (geringe Symptomstärke, geringe Dringlichkeitseinschätzung). Die Akkulturation wurde mithilfe der Frankfurter Akkulturationsskala erfasst. Logistische Regressionen wurden mit Nicht-Migrantinnen als Referenzgruppe berechnet.

Ergebnisse Daten von 723 Frauen mit MH (n = 477) und ohne MH (n = 246) konnten ausgewertet werden: Niedrige Akkulturation hatte bei Frauen mit MH keinen signifikanten Einfluss auf die allgemeine nicht-dringliche Nutzung der Notfallambulanz verglichen mit Frauen ohne MH. Niedrige Akkulturation war jedoch ein signifikanter Prädiktor für nicht-dringliche Nutzung die nur über die systemseitigen Kriterien definiert war (AOR 1,58; 95 % KI 1,02-2,44; p = 0,041). Andererseits war niedrige Akkulturation ein signifikanter inverser Prädiktor für nicht-dringliche Nutzung die nur über die patientinnen-seitigen Kriterien definiert war (AOR 0,58; 95 % KI 0,38-0,90; p = 0,014).

Zusammenfassung Patientinnen mit geringer Akkulturation haben eine höhere Chance einer nicht-dringlichen Nutzung der gynäkologischen Notfallambulanz, sofern dies nur anhand von system-seitigen Kriterien definiert wurde. Dies kannauf eine von der medizinischen Einschätzung abweichende Wahrnehmung von Dringlichkeit hindeuten. Aus Patientinnenperspektive liegt bei Frauen mit geringer Akkulturation eine angemessene Nutzung aufgrund dringlicher Beschwerden vor.



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Article published online:
07 October 2020

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