Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(10): e133
DOI: 10.1055/s-0040-1717958
Poster
Mittwoch, 7.10.2020
Pränatal- und Geburtsmedizin III

Kindliche Herzfehler unter mütterlicher Lithiumtherapie – ein überschätztes Risiko?

W Paulus
1   Universitätsfrauenklinik Ulm, Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie, Ulm, Deutschland
,
I Echerer
1   Universitätsfrauenklinik Ulm, Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie, Ulm, Deutschland
,
U Friebe-Hoffmann
2   Universitätsfrauenklinik Ulm, Ulm, Deutschland
,
W Janni
2   Universitätsfrauenklinik Ulm, Ulm, Deutschland
› Author Affiliations
 

Zielsetzung Lithium-Präparate werden häufig auch bei Frauen im fertilen Alter als Langzeitmedikation zur Prophylaxe einer bipolaren affektiven Störung eingesetzt. Auf der Basis älterer Spontanmelderegister vermutete man einen Zusammenhang zwischen einer intrauterinen Lithium-Exposition im I.Trimenon und kardiovaskulären Anomalien (Ebstein-Anomalie). Diese Erkenntnisse wurden jedoch in den letzten Jahren zunehmend relativiert, so dass inzwischen Schwangerschaften unter Lithiumspiegel-Kontrolle gezielt geplant werden.

Material Im Rahmen einer prospektiven Follow-up-Studie wurden von unserem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum zwischen 1989 und 2018 152 Schwangerschaftsausgänge nach Anwendung von Lithium-Präparaten in der Frühgravidität dokumentiert.

Methoden Die Befunde wurden unter Einsatz des Fisher´s Exact Tests mit den Daten eines unbelasteten Kontrollkollektives (n=937) aus demselben Zeitraum auf Abort- und Fehlbildungsraten verglichen.

Ergebnisse Während sich in 77 Fällen die Lithium-Exposition auf das I.Trimenon beschränkte, setzten 75 Schwangere die Anwendung im II./III.Trimenon fort. Die Rate der Schwangerschaftsabbrüche aus psychosozialen Gründen lag nach Therapie mit Lithium im I.Trimenon (20/152=13,2%) signifikant (p< 0,0001) über dem Anteil in der Kontrollgruppe (24/937=2,6%). Die Spontanabortrate nach Anwendung von Lithium unterschied sich mit 10,6% (14/132) nicht signifikant vom Kontrollkollektiv mit 10,5% (96/913). Kongenitale Anomalien fielen nach Medikation mit Lithium (11/118=9,3%) signifikant häufiger auf als im Kontrollkollektiv (31/817=3,8%, p=0,01; RR 2,46; 95%-Konfidenzintervall 1,18 - 4,91). Insbesondere wiesen vier Kinder (4/118=3,4%) nach mütterlicher Lithium-Medikation während der Embryonalperiode isolierte kardiovaskuläre Defekte auf, dagegen nur zwei Kinder (2/817=0,2%) aus dem Kontrollkollektiv (p=0,003; RR 13,85; 95%-Konfidenzintervall 2,21 - 108,36).

Zusammenfassung Der Verdacht auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Fehlbildungen unter mütterlicher Lithiumtherapie in der Frühschwangerschaft bestätigt sich auch unter prospektiv kontrollierten Studienbedingungen.



Publication History

Article published online:
07 October 2020

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