Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(10): e129-e130
DOI: 10.1055/s-0040-1717947
Poster
Mittwoch, 7.10.2020
Pränatal- und Geburtsmedizin II

Das Polyhydramnion als Schlüssel zu einer familiären genetischen Erkrankung

S Lukac
1   Klinikum Memmingen, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Memmingen, Deutschland
,
J Junghans
2   Klinikum Memmingen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Memmingen, Deutschland
,
D Frommhold
2   Klinikum Memmingen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Memmingen, Deutschland
,
K Mühlen
1   Klinikum Memmingen, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Memmingen, Deutschland
,
F Flock
1   Klinikum Memmingen, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Memmingen, Deutschland
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Eine 32 jährige Patientin, IIIG/IIP, stellte sich in der 31+2 Schwangerschaftswoche (SSW) mit vorzeitiger Wehentätigkeit (vWT) und einer intakten Einlingsschwangerschaft vor.

Die letzte Schwangerschaft wurde per sectionem wegen einer Bradykardie bei vWT in der 30.SSW beendet. Dieses Kind kam leblos auf die Welt (pH= 7,35, Apgar 1/1/1, 1400g) und verstarb nach einer Stunde. Eine Ursache konnte nicht gefunden werden. Auch die Mutter musste während der Sectio reanimiert und postpartal wegen Tako-Tsubo-Kardiomyopathie intensivmedizinisch betreut werden.

Bei zusätzlichem Polyhydramnion (Fruchtwasserindex von 41,8 cm) wurde die Lungenreifeinduktion unter tokolytischer Therapie begonnen. Die Sonomorphologie des Fetus zeigte keine Auffälligkeit, es war lediglich eine ausgeprägte Adynamie nachzuweisen. Der Zuckerbelastungstest und die TORCH-Serologie waren unauffällig.

In der 32+6 SSW entwickelte die Patientin unhemmbare Wehen, so dass bei Beckenendlage eine Sectio problemlos durchgeführt wurde. Auch dieses Kind musste reanimiert werden (pH=7,35, Apgar 1/2/3, 1600g). Aufgrund anhaltender respiratorischer Insuffizienz und muskulärer Hypotonie sowie bei mütterlichem Verdacht ergaben gezielte genetische Untersuchungen von Kind und Mutter ein normales und ein vergrößertes Myotone-Dystrophie-(MD) Protein-Kinase-Allel (Kind: 1500-200, Mutter: 100-400 CTG-Repeats). Somit wurde die MD Typ 1 (Curschmann-Steinert-Syndrom) nachgewiesen. Das Kind verstarb nach dreimonatigem kompliziertem intensivmedizinischem Verlauf bei Langzeitbeatmung aufgrund mangelnder Eigenatmung, Lungenhypoplasie mit therapierefraktärer pulmonaler Hypertension und daraus resultierendem Rechtsherzversagen.

Die Diagnostik beim Neugeborenen führte letztendlich zur Diagnose einer MD bei der Mutter. Ex post lässt sich vermuten, dass die MD die Todesursache beider Kinder war und bei der Mutter die Asystolie und Kardiomyopathie mitverursacht hat. Der Fall zeigt, dass bei einem Polyhydramnion neuromuskuläre Erkrankungen mit in die Differentialdiagnostik einbezogen werden sollten.



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Article published online:
07 October 2020

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