Z Orthop Unfall 2020; 158(S 01): S234
DOI: 10.1055/s-0040-1717581
Vortrag
DKOU20-1081 Grundlagenforschung->30. Biomechanik und Bewegungsanalyse

Synthetische Knochen simulieren das Versagen menschlicher Röhrenknochen im Nagelmodell hinsichtlich Versagenslast, Frakturmuster und Schraubeneinschnitt

M Hollensteiner
*   präsentierender Autor
1   BG Unfallklinik Murnau, Institut für Biomechanik, Murnau
,
S Sandriesser
1   BG Unfallklinik Murnau, Institut für Biomechanik, Murnau
,
P Augat
1   BG Unfallklinik Murnau, Institut für Biomechanik, Murnau
› Author Affiliations
 

Fragestellung Intramedulläre (IM) Nägel gelten als Goldstandard für die Behandlung diaphysärer Frakturen. Das

Knochen-Schrauben-Interface stellt dabei das schwächste Glied des Gesamtkonstrukts dar. Eine Schraubenlockerung führt zu interfragmentären Bewegungen und beeinträchtigt somit die Knochenheilung. Anzahl als auch Konfiguration der Schrauben können die Lockerung verringern und dabei signifikant die Stabilität eines Nagel-Knochen-Konstruktes erhöhen.

Um neue oder verbesserte Implantat-Konfigurationen zu evaluieren werden meist synthetische Knochen verwendet, welche die Nachteile von humanen Präparaten (v.a. Variabilität) umgehen können. Synthetische Knochen können die lokalen mechanischen Eigenschaften von humanen Knochen nicht ausreichend nachahmen.

Wir postulieren daher, dass ein neues Knochenersatzmaterial für die biomechanische Evaluierung von Implantaten benötigt wird. Ziel dieser Studie war es, neue kortikale Diaphysen-Surrogate zu entwickeln und hinsichtlich Versagenslastzyklen, -muster und Schraubeneinschnitt gegen humane Röhrenknochen zu evaluieren.

Methodik Als Grundmaterial für die röhrenförmigen Surrogate wurde Polyurethan herangezogen. Die Surrogate wurden mit Kortikalisdicken von 2, 4 und 6mm (je n = 6) hergestellt, um die diaphysären Regionen von humanen Knochen zu simulieren. Als Referenzen wurden humane Röhrenknochen (Human, n = 4) sowie synthetische Tibiae des Weltmarktführers (SB, n = 6)

verwendet. Alle Präparate wurden mit einem IM-Nageldummy versorgt, welcher mit bikortikalen Schrauben im Abstand von 10mm implantiert wurde. Das Nagel-Knochen-Konstrukt wurde unter kombinierter Axial- und Torsionslast mittels sinusförmigen Belastungsprotokoll geprüft, um eine physiologische Belastung zu simulieren. Bei konstanter Torsion von 2Nm wurde die axiale Belastung bis zum Versagen alle 2000 Zyklen um 50N erhöht. Die Lastzyklen bis zum Versagen, das Frakturmuster sowie der Schraubeneinschnitt wurden analysiert. Zur Abschätzung der Überlebensfunktion wurde der Kaplan-Meier-Schätzer sowie der

Log-Rank-Test verwendet, um synthetische Knochengruppen gegen menschliche Referenzen auf signifikante Unterschiede zu testen.

Ergebnisse und Schlussfolgerung Die Zyklen bis zum Versagen der neuen Diaphysensurrogate waren mit jener der humanen Präparate gut vergleichbar (siehe [Tab.1]). Bei allen neuartigen Surrogaten wurden typische klinische Versagensmuster beobachtet. So zeigten sich in 11 % der Proben Spiral-, in 28 % Schräg-, und in rund 61 % Querfrakturen. Trümmerfrakturen zeigten sich nur in den Knochenmaterialien des Marktführers. Abhängig von der Kortikalisdicke wurden bei den synthetischen Knochen sowie Humanpräparaten Schraubeneinschnitte von bis zu 10mm beobachtet.

Tab.1

Ergebnisse der biomechanischen Messungen

Material/Präparat

Kortikalisstärke (mm)

Versagenszyklen (#)

Log-Rank Test (p-Wert)

Human

4.0± 1.3

97 800±31 400

-

2.0

16 900±2 300

0.004*

Surrogate

4.0

93 200±2 200

0.881

6.0

121 100±4 900

0.729

SB

4.5±0.7

172 700±31 500

0.005*

Die neu entwickelten Knochenersatzmaterialien ahmen das Versagens- und Schraubeneinschnittverhalten von menschlichen Knochen in diesem Belastungsszenario realistisch nach. Damit bieten sie eine neue Möglichkeit, Implantate und Schraubenkonfigurationen biomechanisch zu testen und zu evaluieren.

Stichwörter intramedullärer Nagel; Biomechanik; Knochenersatzmaterial; Surrogat; Schraubeneinschnitt



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Article published online:
15 October 2020

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