Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(07)
DOI: 10.1055/s-0040-1714009
Geburtshilfe und Pränataldiagostik

Schwangerschaftseintritt unter neuen oralen Antikoagulanzien – aktuelle Risikobewertung für den klinischen Alltag

W Paulus
1   Universitätsfrauenklinik Ulm, Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie
,
U Friebe-Hoffmann
2   Universitätsfrauenklinik Ulm
,
K Lato
2   Universitätsfrauenklinik Ulm
,
W Janni
2   Universitätsfrauenklinik Ulm
› Author Affiliations
 

Zielsetzung: Die direkten Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban (Erstzulassung: 2008) und Apixaban (Erstzulassung: 2012) sollen die Thromboseprophylaxe gegenüber den parenteral applizierbaren Heparinen und den oral eingesetzten Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Phenprocoumon) vereinfachen. Bei klinisch relevanten Plasmakonzentrationen wurde ein vermehrtes Auftreten von spontanen Fehlbildungen in Experimenten mit graviden Ratten beobachtet. Aufgrund der geringen Erfahrungen raten die Hersteller zur Kontrazeption bei Behandlung mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK). Da bei akzidentellem Eintritt einer Schwangerschaft unter DOAK-Therapie oft ein Abbruch aus Angst vor Fehlbildungen im I.Trimenon erfolgt, sind bislang trotz ständig wachsender Verordnungszahlen weltweit nur 140 Schwangerschaftsausgänge mit einem erheblichen Anteil von Spontanaborten und Fehlbildungen bekannt (Lameijer et al 2018).

Methoden: Im Rahmen einer prospektiven Follow-up-Studie wurden von unserem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum zwischen 2010 und 2018 27 Schwangerschaftsausgänge nach DOAK-Anwendung in der Frühgravidität dokumentiert (Rivaroxaban: n = 22, Apixaban n = 4, Edoxaban: n = 1). Nach Feststellung der ungeplanten Schwangerschaften wurde unser Zentrum von den betreuenden Fachärzten im Hinblick auf ein mögliches teratogenes Risiko kontaktiert. Drei Monate nach dem errechneten Entbindungstermin erhielten die Anfragenden einen strukturierten Erhebungsbogen zur Dokumentation von Schwangerschaftsverlauf und -ausgang.

Ergebnisse: Vier Patientinnen entschieden sich aufgrund der insuffizienten Datenlage zum Schwangerschaftsabbruch, vier Fälle endeten mit einem Spontanabort. 19 Schwangerschaften wurden ausgetragen, wobei die DOAK-Therapie zwischen SSW 2/3 und SSW 17/2 beendet wurde (Median: SSW 6/0). Danach erfolgte i. A. die Umstellung der Antikoagulation auf niedermolekulare Heparine. Nach komplikationslosem Schwangerschaftsverlauf wurden 19 gesunde Kinder geboren. Das Geburtsgewicht der 12 Mädchen und 7 Jungen lag zwischen 975 g und 4.300 g (Median: 3.280 g) bei einem Geburtstermin zwischen SSW 30/3 und SSW 41/5 (Median: SSW 39/3).

Diskussion: Unsere prospektive Follow-up-Studie ließ kein teratogenes Potenzial der direkten oralen Antikoagulanzien erkennen. Solange keine umfangreicheren Erfahrungen vorliegen, sollte allerdings vor Eintritt einer geplanten Schwangerschaft auf erprobte Alternativen der Antikoagulation zurückgegriffen werden.



Publication History

Article published online:
14 July 2020

Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York