Gesundheitswesen 2020; 82(05): 458
DOI: 10.1055/s-0040-1708980
Vorträge und Poster

Häusliche Unfälle im Säuglings- und Kleinkindesalter - eine qualitative Rekonstruktion der elterlichen Risikowahrnehmung

L Föttinger
Universität Bremen, Institut für Public Health und Pflegeforschung, AG Epidemiologie des demographischen Wandels, Bremen, Deutschland
,
K Bammann
Universität Bremen, Institut für Public Health und Pflegeforschung, AG Epidemiologie des demographischen Wandels, Bremen, Deutschland
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Hintergrund Die Epidemiologie von Unfällen lässt erkennen, dass Säuglinge und Kleinkinder (0 - 4 Jahre) eine Hochrisikogruppe für häusliche Unfälle darstellen. Eltern gelten als primäre Adressaten von Unfallpräventionsmaßnahmen. Kenntnisse über deren Risikowahrnehmung sind unter Berücksichtigung etablierter gesundheitspsychologischer Modelle für die Planung erfolgreicher Präventionsmaßnahmen von Bedeutung. Bislang liegen jedoch nur wenige Informationen über die elterliche Risikowahrnehmung vor. Daraus ergibt sich folgende Forschungsfrage: Wie nehmen Eltern das Risiko häuslicher Unfälle ihrer Säuglinge bzw. Kleinkinder (0 bis 4 Jahre) wahr?

Methoden Ziel dieser Studie war die Entwicklung einer ersten Theorie über die elterliche Risikowahrnehmung unter Anwendung der Grounded Theory-Methodologie. Hierfür wurden neun fotobasierte Interviews mit Eltern von 0- bis 4-Jährigen aus München (Stadt und Landkreis) durchgeführt. Die Fallauswahl erfolgte bis zum Erreichen der theoretischen Sättigung entsprechend dem von Strauss und Corbin vorgeschlagenen „theoretical sampling“.

Ergebnisse Die elterliche Risikowahrnehmung kann als Kontinuum beschrieben werden, welches maßgeblich von zwei Determinanten bestimmt wird: die „multidimensionale Individualität des Kindes“ sowie verschiedene „teachable moments“. Während die „teachable moments“ (z.B. Unfälle des Kindes in der Vergangenheit) punktuell auf die Risikowahrnehmung einwirken, bestimmt die Individualität des Kindes die elterliche Risikowahrnehmung insofern, als das sich letztere entsprechend der individuellen Entwicklung des Kindes verändert. Es zeigt sich außerdem, dass sich die Risikowahrnehmung der Eltern danach unterscheidet, ob nur ein Kind im Haushalt lebt oder ein weiteres Kind vorhanden ist.

Schlussfolgerungen Die Ergebnisse zeigen mögliche Anknüpfungspunkte für Interventionen häuslicher Kleinkinderunfälle auf. Diese sollten in Studien mit größeren Stichproben abgesichert werden. Geplant ist, die entwickelte Theorie im Rahmen eines quantitativen Forschungsdesigns zu überprüfen.



Publication History

Article published online:
26 May 2020

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Stuttgart · New York