Gesundheitswesen 2020; 82(05): 451
DOI: 10.1055/s-0040-1708957
ÖGPH Kompetenzgruppen Symposien

Die feinen Unterschiede – Sozialkapital, Habitus und Gesundheitskompetenz

I Zelinka-Roitner
Styria vitalis, Graz, Österreich
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Der Begriff Sozialkapital nach Bourdieu beschreibt die Chancen und Risiken, die sich im Zuge der Sozialisation durch soziale Netzwerke ergeben. Als Währung fungieren menschliche Beziehungen, die in Bezug auf (gesundheitliche) Chancengerechtigkeit und soziale Handlungsfähigkeit förderlich oder hinderlich sein können. Sozialkapital ist wie ökonomisches Kapital ungleich verteilt, z.B. nach Alter, Geschlecht, Sozioökonomischem Hintergrund, Familienzugehörigkeit.

Menschen mit hohem Sozialkapital verfügen meist über einen bestimmten Habitus, der es ihnen erleichtert, gesellschaftlich voranzukommen. Sie lernen früh, was förderlich und gut, was gesund und ungesund ist. Der Habitus beinhaltet unter anderem Geschmack und Vorlieben, aber auch sprachlichen Ausdruck, Kleidung oder die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen. Im Zusammenhang mit Health Literacy kann das Konzept des Habitus dazu dienen, herauszufinden, was zwischen Information und Gesundheitsverhalten steht.

Die meisten Kinder und Jugendlichen wissen sehr viel darüber, was ihnen gut tut, dass sie sich beispielsweise viel bewegen und gesund ernähren sollten. Um dieses Wissen in die Tat umzusetzen brauchen sie aber Rahmenbedingungen und Netzwerke, die es ihnen erlauben, einen gesundheitsförderlichen Habitus als wünschenswert zu erachten und täglich zu leben. Erleichtert wird dies auf public health Ebene z.B. durch die leichte Verfügbarkeit von Gesundheitsinformationen in jugendgerechter Sprache und die Vermittlung im Bildungssystem, durch Unterstützungssysteme wie Frühe Hilfen oder durch gute medizinische Versorgung und einen niederschwelligen Zugang zum Gesundheitssystem unabhängig vom sozioökonomischen Status. In der Gesundheitsförderung kann das Konzept des Habitus dazu dienen, die Zielgruppe besser kennenzulernen, unterschiedliche Vorstellungen von einem guten, gesunden Leben abzuholen und anzuerkennen und Methoden dementsprechend anzupassen (z.B. Vermeidung frontaler Vorträge).



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Article published online:
26 May 2020

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