Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(02): 219-226
DOI: 10.1055/s-0039-3402958
Wissenschaftliche Sitzung am 20. 11. 2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die programmierte Geburt zur Verhinderung des „weekend effects“ vor 50 Jahren

M David
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Publication Date:
21 February 2020 (online)

 

Wohl erstmals vor ca. 100 Jahren wurde bei einer Tagung der American Gynecology Society über die „Induktion der Geburt bei 200 Frauen mit reifen Kindern“ berichtet, die ohne das Vorliegen einer harten medizinischen Indikation erfolgten. Auch in Deutschland wurden in den 1930er und −40er Jahren Geburten am Termin „aus sozialen Gründen“ eingeleitet. Die Indikationen waren außerdem organisatorischer, „psychohygienischer“ und auch prophylaktischer Art, einzelne Geburtshelfer gingen wohl auch aus eigener Annehmlichkeit so vor, ohne dass dies den programmatischen Titel „programmierte Geburt“ trug. Diese Bezeichnung fand erst in den 1970er Jahren Eingang in den geburtshilflichen Sprachgebrauch. Darunter verstand man die „Durchplanung des gesamten Geburtsablaufs bezüglich Indikation, Vorbedingungen, Vorbereitungen, sowie die Festsetzung des optimalen Zeitpunkts für Mutter, Kind, Familie und Kreißsaalorganisation.“ Jung postulierte drei positive Auswirkungen der „programmierten Geburt“: 1. geburtsphysiologischen Vorteile (die Gebärende ist in der Klinik intensiv überwacht); 2. psychologische Vorteile (die Schwangere kennt ihren Geburtstermin und kann sich auf diesen vorbereiten) und 3. organisatorische Vorteile (die Geburten finden zwischen 8 und 17 Uhr statt bei optimaler personeller Besetzung und ausgeruhtem Team). Allerdings kritisierte schon 1978 der Neonatologe Riegel, dass die sog. termingesteuerte Geburt zwar relevante Gefahren verhindere, dass sie aber auch Risiken hinsichtlich der kindlichen Morbidität beinhalten. Beweisende randomisierte Studien für das Vorgehen fehlten. Wulf unterstrich, dass die „Geburtsprogrammierung“ kein Alibi für eine unzureichende personelle Besetzung geburtshilflicher Abteilungen oder für andere sachfremde Sparmaßnahmen sein dürfe. Nach einer Phase der starken Nutzung der „programmierten Geburt“ setzte Anfang der 1980er Jahre ein Umdenken ein. Das Konzept wurde wegen seiner Risiken verlassen.