Osteologie 2020; 29(01): 66-68
DOI: 10.1055/s-0039-3402881
3. Posterbegehung 3
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bilaterale atypische Femurfraktur nach langjähriger antiresorptiver Therapie. Operatives und medikamentöses Management

E Mantinger
1   SKA Zicksee, Orthopädische Fachklinik, St. Andrä am Zicksee, Austria
,
Radu-Lucian Jilavu
2   Wien, Austria
,
S Domayer
1   SKA Zicksee, Orthopädische Fachklinik, St. Andrä am Zicksee, Austria
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
25 February 2020 (online)

 

Einleitung Wir berichten über eine 82-jährige Patientin mit bilateralen, atypischen, subtrochantären Femurfrakturen nach langjähriger antiresorptiver Therapie mit Alendronsäure über 19 Jahre und Denosumab über fünf Jahre. Nach erfolgter intramedullärer Nagelung des re Femurs zeigt sich 3,5 Monate nach Operation eine verzögerte Knochenheilung mit deutlich sichtbarem Osteotomiespalt und Belastungsschmerzen beidseits. Nach Ausschluss von Kontraindikationen wurde eine osteoanabole Therapie mit Teriparatid eingeleitet.

Methode Bei unserer damals 60-jährigen Patientin wurde 1994 eine massive postmenopausale Osteoporose diagnostiziert. Die Knochendichtemessung 1994 wies einen T-Score am distalen Unterarm von –4,6 und einen Z-Score von –3,2 auf. Von 1994 bis 2013 wurde die Patientin mit dem Bisphosphonat Alendronsäure 10 mg 1xtgl sowie Kalzium und Vitamin-D-Suplimentation behandelt. 2014 wurde nach neuerlicher Knochendichtemessung, welche T-Score-Werte von –2,8 am rechten Femur und –3,3 an der LWS zeigte, die Therapie auf den monoklonalen Antikörper Denosumab umgestellt, diese wurde bis 2019 beibehalten. Unter laufender Prolia-Therapie zeigten sich im Kontrollröntgen von 2015 ein neuer Keilwirbel TH6, ein vorderkantenerniedrigter TH8 und TH9 sowie im Röntgen und DEXA von 2016 im Vergleich zur Voruntersuchung 2014 eine weitere Verschlechterung der Knochendichtewerte, im Sinne einer fortschreitenden Osteoporose. Rippenfrakturen und eine Radiusfraktur re sind in dieser Zeit anamnestisch erhebbar. 2018 erlitt die Patientin eine Insuffizienzfraktur des Metatarsale V rechts. Monate später klagte die Patientin über Knieschmerzen beidseits, welche als Lumboischialgie/Gonalgie fehlinterpretiert wurden. Erst sechs Monate später wurde die atypische Femurfraktur diagnostiziert und operativ mittels Femurosteotomie und intramedulärer Nagelung rechts versorgt.

Ergebnisse In der Osteoporose-Basisdiagnostik bei REHA-Eintritt zeigte sich: Klinik: rigide BWS-Skoliose mit Tannenbaum-Phänomen; Labor: Kalzium 4,7 mVal/l, Krea 1,1 mg/dl, Vitamin-D-Spiegel 36 ng/ml, Alkalische Phosphatase 114 U/l, Cross Laps 0,08 ng/ml, PTH 31,3 pg/ml, Elektrophorese unauffällig. Risikofaktoren: Als Risikofaktoren wurden erhoben: Osteoporose bei der Mutter, Abnahme der Körpergröße > 4 cm, Dauereinnahme von PPI, multiple Frakturen. Knochendichtemessung: T-Score LWS –3,5, T-Score prox. Femur li –2,3, T-Score SH li –3,0, TBS von 1,159. Röntgen: LWS, BWS sowie Oberschenkel beidseits: nicht knöchern durchbaute diaphysäre Osteotomie re Femur mit Z. n. intramedullärer Nagelung, BWK4 und BWK6 Frakturen Grad 3, Deckplattenimpressionsfrakturen BWK11 und BWK 12 Grad 1, deutlich osteoporotische Knochenstruktur mit Betonung der vert. Trabekel. Im Verlauf, bei verzögerter Knochenheilung und nach Auschluss von Kontraindikationen wurde eine osteoanabole Therapie eingeleitet. Literatur: In der Literatur wurden bereits völlig untypische, atraumatische Femurfrakturen bei Osteoporosepatienten nach langjähriger Bisphosphonattherapie beschrieben (Shane et al. 2014). Die Inzidenz dafür beträgt ca. 1:10000 (Abrahamsen et al. 2016). Da es keinen Benefit bei einer Einnahme von Bisphosphonaten über fünf Jahre auf die Risikominimierung typischer osteoporothischer Frakturen gibt (Withaker et al. 2012), sollte eine längere Therapiedauer hinterfragt werden. Schilcher et al. beschrieben sogar ein erhöhtes Risiko einer atypischen Femurfraktur bei Frauen schon im ersten Jahr nach Einnahme von Bisphosphonaten (Schilcher et al. 2015). 70% der Patienten berichten Wochen bis Monate vor dem Bruch über Schmerzen im späteren Bruchbereich, bei unserer Patientin war eine solche prodromale Symptomatik über ein halbes Jahr auch erhebbar. Studien raten zum Absetzen der Bisphosponattherapie bei atypischen Frakturen, da es sonst zu einer verzögerten Frakturheilung kommen könnte (Yue et al. 2015). Einer Therapie mit Teriparatiden wird Studien zufolge nach atypischen Frakturen, vor allem bezüglich Frakturheilungsrate und -dauer, Reduktion der Inzidenz weiterer Frakturen, Dauer bis zum Wiedererlangen der Vollmobilisation und Schmerzintensität, ein positiver Effekt zugeschrieben (Wen-Ling Yeh et al. 2017; Gomberg et al. 2011).

Diskussion Die unkritische Dauerbehandlung mit Bisphosphonaten kann unter Umständen, wie aus diesem Fall ersichtlich ist, kontraproduktiv sein, eine Umstellung auf Alternativpräparate sollte rechtzeitig berücksichtigt werden. Knie- und/oder Oberschenkelschmerzen bei Patienten mit antiresorptiver Therapie sollten mit gezielten Röntgenaufnahmen des gesamten Oberschenkels beidseits abgeklärt werden. Auf konventionellen Röntgenaufnahmen, wie Kniegelenk in zwei Ebenen oder Beckenübersicht, wird die subtrochantäre und diaphysäre Femurregion in der Regel nicht abgebildet, was zur verspäteten Diagnosestellung führen kann. Aufgrund der hohen Rate an Pseudoarthrosen, verzögerter Knochenheilung und implantatassoziierten Komplikationen bei Patienten mit stark supprimiertem Knochenstoffwechsel unter antiresorptiver Therapie sollte rechtzeitig eine additive, osteoanabole Therapie in Betracht gezogen werden. Die osteologische Behandlung dieses Patientenkollektivs ist eine Herausforderung und benötigt eine langfristige Anbindung in einer spezialisierten Ambulanz.

Korrespondenzadresse Evi Mantinger, SKA Zicksee Orthopädische Fachklinik, Otto Pochaska Platz 1, 7161 St. Andrä am Zicksee, Österreich, Austria

E-Mail evi.mantinger@skazicksee.at

Zoom Image
Abb.1.
Zoom Image
Abb.2.
Zoom Image
Abb.3.
Zoom Image
Abb.4.