Osteologie 2020; 29(01): 56
DOI: 10.1055/s-0039-3402857
4. Forum Junge Wissenschaft der DGO
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bilaterale Looser-Zonen in den anteromedialen Tibiadiaphysen bei Leistungssportlern

J Stürznickel
1   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Osteologie und Biomechanik, Hamburg, Germany
,
E von Vopelius
1   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Osteologie und Biomechanik, Hamburg, Germany
,
NM Jandl
2   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Hamburg, Germany
,
F Barvencik
1   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Osteologie und Biomechanik, Hamburg, Germany
,
M Amling
1   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Osteologie und Biomechanik, Hamburg, Germany
,
T Rolvien
1   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Osteologie und Biomechanik, Hamburg, Germany
,
R Oheim
1   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Osteologie und Biomechanik, Hamburg, Germany
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Publication History

Publication Date:
25 February 2020 (online)

 

Einleitung Das chronische Schienbeinkantensyndrom bzw. Shin-Splint-Syndrom ist eine häufige Verletzung der unteren Extremität bei repetitivem Stress (z. B. Läufer, Soldaten). Histologische Untersuchungen zeigen einen erhöhten Knochenumbau in diesen Läsionen, wobei der Mechanismus nicht geklärt ist und die Therapieempfehlungen uneinheitlich sind. Wir stellen neun Patienten mit bilateralem Shin-Splint-Syndrom vor, von denen vier Patienten bilaterale Pseudofrakturen bzw. Looser-Zonen (LZ) zeigen.

Methode Bei neun Patienten wurde eine Stressreaktion mittels MRT festgestellt. In unserer Spezialambulanz erhielten sie eine umfangreiche Diagnostik mit Messung (a) des Knochenumbaus durch Serum-/Urinparameter (n = 9), (b) Knochenmineraldichte (bone mineral density, BMD, n = 8) der Wirbelsäule und Hüfte via dual energy X-ray absorptiometry (DXA, n = 8) und (c) der knöchernen Mikroarchitektur im Vergleich zu geschlechts- und altersspezifischen Referenzwerten mittels high-resolution peripheral quantitative computertomography (HR-pQCT, n = 3). In einem Fall konnte der bildmorphologische Heilungsverlauf longitudinal, d. h. bei Erstvorstellung und nach acht Wochen mittels (d) digitaler Volumentomographie (cone beam CT, n = 1) verfolgt werden. Alle Daten werden als Mittelwert ± Standardabweichung angegeben und mittels ungepaartem t-Test verglichen, sofern nicht anders beschrieben.

Ergebnisse Die laborchemische Analyse zeigte bei Patienten mit LZ reduzierte Werte von 25-Hydroxycholecalciferol (25[OH]D3; 20,4 ± 12,4 vs. 40,6 ± 6,9, µg/l, p = 0,038) und Osteocalcin (17,2 ± 2,9 vs. 26,5 ± 8,6, µg/l, p = 0,076) sowie eine Erhöhung von Deoxypyridinolin/Kreatinin (Dpd; 6,8 ± 2,6 vs. 5,4 ± 2,0, nmol/mmol, p = 0,428). BMD-Analysen zeigten bei Patienten mit LZ sowohl spinal (0,4 ± 1,2 vs. –0,7 ± 1,8, p = 0,358) als auch coxal (1,3 ± 0,6 vs. –0,7 ± 0,5, p = 0,019) höhere Z-Werte. HR-pQCT-Analysen der distalen Tibia ergaben bei Patienten mit LZ vergleichsweise geringere Referenzabweichungen. Nach Optimierung des Knochenstoffwechsels, Reduktion der Belastung sowie horizontalem Taping oberhalb des Sprunggelenks, wodurch eine Kraftumleitung der tendinös-ossären Insertion resultiert, konnte in allen Fällen Beschwerdefreiheit erreicht werden.

Diskussion Diese Ergebnisse zeigen, dass eine Osteomalazie bei unzureichendem Vitamin-D-Spiegel und lokal erhöhtem Knochenumbau zu Pseudofrakturen führen kann, die sich in Form von LZ darstellen. Des Weiteren muss die Manifestation nicht Resultat einer erniedrigten BMD oder gestörten knöchernen Mikroarchitektur sein. Die Relevanz eines ausreichenden Vitamin-D-Spiegels und der Kontrolle der Umbauparameter wird vor allem bei hohem körperlichen und/oder repetitivem Stress deutlich, um einem Shin-Splint-Syndrom vorzubeugen bzw. die Symptomatik abzumildern. Bei allen Patienten konnte durch die beschriebenen konservativen Maßnahmen eine vollständige Beschwerdefreiheit erzielen.

Keywords Looser-Zone, Vitamin D, Osteomalazie, Leistungssport

Korrespondenzadresse Julian Stürznickel, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Osteologie und Biomechanik, Lottestraße 59, 22529 Hamburg, Deutschland, Germany

E-Mail j.stuerznickel@uke.de