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DOI: 10.1055/s-0039-3401216
Auswirkungen einer Langzeit-Candesartan/Hydrochlorthiazid-Einnahme in der Schwangerschaft – ein Fallbericht
Publication History
Publication Date:
27 November 2019 (online)
Hintergrund:
Antihypertensiva aus der Gruppe der Sartane, gehören wie ACE-Hemmer zu den Renin-Angiotensin-System-Inhibitoren und blockieren die Wirkung von Angiotensin II am AT1-Rezeptor. Die Einnahme von Sartanen in der Frühschwangerschaft scheint nach derzeitiger Datenlage nicht mit einem erhöhten Fehlbildungsrisiko einherzugehen, ab der 20. Schwangerschaftswoche jedoch können sie – wie auch ACE-Hemmer – zur Entwicklung einer Fetopathie führen. Der durch das Medikament erniedrigte Gefäßtonus bewirkt eine Perfusionsminderung der fetalen Nieren und führt so zu Oligo- bzw. Anhydramnion mit typischen Konsequenzen wie Kontrakturen, Schädelkalottenhypoplasie und Lungenhypoplasie. Weiters kann eine postpartale Nierenfunktionsstörung bis zur Anurie mit Dialysepflichtigkeit beim Neugeborenen nach der Geburt auftreten [1;2;3]. Antihypertensiva aus der Gruppe der Thiazide sollten im zweiten und dritten Trimenon nur nach strenger Indiaktionsstellung angewendet werden, da eine Beeinträchtigung der fetalen Versorgung durch Herabsetzung der Plazentaperfusion diskutiert wird. Teratogenes Potenzial oder die Entwicklung von Fetopathien unter Hydrochlorthiazid-Einnahme während der Schwangerschaft sind nicht bekannt [4].
Es wird der Fall einer Patientin beschrieben, die bis zu ihrer Erstvorstellung in der 31. SSWW am Wilhelminenspital Wien über die gesamte Schwangerschaft unter Dauertherapie mittels Kombinationspräparat aus Candesartan und Hydrochlorthiazid stand.
Fallbericht:
Die Vorstellung der Patientin Fr. A. (40a, Grav VI, P V, St.p. 1x Sectio 2014) erfolgte in SSW 30+1 zum Geburtsmodusgespräch aufgrund der vorangegangenen Sectio. Im Rahmen der Abdominalsonografie zeigte sich ein Anhydramnion ohne Hinweis auf vorzeitigen Blasensprung. Als ursächlich ließ sich im Zuge der Anamnese eine bereits präkonzeptionell laufende Therapie mittels Candesartan/HCT bei präexistenter arterieller Hypertonie erheben, die über die gesamte bisherige Schwangerschaft eingenommen worden war.
Verlauf:
In der erweiterten Ultraschalldiagnostik konnte bei normaler Biometrie die fetale Harnblase nicht dargestellt werden. Es ergab sich außerdem der Verdacht auf Kontrakturen beider unteren Extremitäten. Zur Einschätzung der Lebensfähigkeit des Feten wurde eine fetale Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt, um eine eventuell bestehende Lungenhypoplasie beurteilen zu können. Die MRT zeigte regelrechte Signale der Nieren und 60% Lungenvolumina beidseits, weshalb in interdisziplinärem Konsens folgendes Prozedere festgelegt wurde:
-
sofortige Umstellung der Blutdrucktherapie
-
Durchführung einer Lungenreifetherapie
-
tägliche Evaluierung
-
Prolongierung der Schwangerschaft soweit aufgrund von Doppler und CTG möglich.
Bereits zwei Tage nach Umstellung der Blutdrucktherapie zeigte sich die fetale Harnblase sonographisch geringgradig gefüllt. Im Verlauf wurden steigende Fruchtwasserindizes beobachtet und die Schwangerschaft konnte bei verbesserter fetaler Nierenperfusion, unauffälligen Doppler-Werten und unauffälligem CTG für fast zwei Wochen prolongiert werden. In SSW 31+5 wurde aufgrund beginnender Wehentätigkeit bei Beckenendlage, progredientem Muttermundsbefund und suspektem CTG die Entscheidung zur Re-Sectio getroffen.
Outcome:
Das Neugeborene (Mädchen) hatte zum Zeitpunkt der Geburt ein Gewicht von 1880 g (68. P.), einen APGAR von 6/8/9 und einen arteriellen Nabelschnur-PH von 7,18. Direkt postpartal war von kinderärztlicher Seite weder eine Intubation noch eine Akutdialyse notwendig. Auch eine Bewegungseinschränkung auf Grund von Kontrakturen wurde nicht beobachtet und Mutter und Kind konnten noch im Operationssaal bonden. In Bezug auf die entstandenen Langzeitschäden an kindlicher Lunge und Nieren, sowie einer in mehreren Fällen beschriebenen postpartum autretenden Thrombose der V. cava inferior [2], kann zum Zeitpunkt der Abstract-Erstellung noch keine Aussage getroffen werden. Weitere Daten zum Outcome werden im Rahmen der Posterpräsentation nachgereicht.
Schlussfolgerungen:
Aufgrund der kasuistischen Erfahrungen scheint die durch AT1 -Antagonisten verursachte Minderperfusion der Nieren und das konsekutiv verminderte Fruchtwasser nach Absetzen reversibel, wobei der Fruchtwasserindex nie den Normbereich erreichte (wie in anderen Fällen beschrieben) [5]. Eine Langzeittherapie mittels AT1-Antagonisten, als Einzeltherapie sowie in Kombination mit Thiaziden, ist jedenfalls zu vermeiden. Dies gilt besonders ab dem zweiten Trimenon. Bei Patientinnen, die eine solche Medikation im Rahmen ihrer Schwangerschaft eingenommen haben bedarf es einer interdisziplinär abgesprochenen, individuellen Behandlungsstrategie, um ein bestmögliches Outcome im Hinblick auf Lungenfunktion, Frühgeburtlichkeit sowie Nierenfunktion zu erzielen. Der magnetresonanztomographischen Bestimmung der fetalen Lungenvolumina kommt hierbei eine tragende Rolle zur Beurteilung der Lebensfähigkeit und Festlegung des weiteren therapeutischen Vorgehens zu.
Literatur:
[1] Barr M Jr. Teratogen update: angiotensin-converting enzyme inhibitors. Teratology 1994; 50: 399 – 409.
[2] Schaefer C. Neuigkeiten zur Anwendung von Arzneimitteln in der Schwangerschaft. GGG Berlin, 21.10.2015
[3] Schaefer C, Kudicke S: Fetotoxizität von Angiotensin-II- (AT-II-) Rezeptor-Antagonisten. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2003, 46:751 – 755
[4] Embryotox: https://www.embryotox.de/arzneimittel/details/hydrochlorothiazid/ (abgerufen zuletzt am 08.07.2019)
[5] Celentano C, Prefumo F et al: Reversible acute fetal renal failure due to maternal exposure to angiotensin receptor blocker. Pediatric Nephrology (2008) 23:333 – 334