Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2019; 47(05): 331
DOI: 10.1055/s-0039-1697705
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Imkerei mit Herz und Hirn – konventionelle Betriebsweisen und alternative Strömungen unter der Lupe des Tierwohls

P Aumeier
1   Ruhr-Universität Bochum, AG Verhaltensbiologie
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Publication Date:
18 October 2019 (online)

 

Seit 2006häufen sich Medienberichte zu den Themen „Bienensterben“ und „Insektensterben“. In Deutschland steigt seither das Interesse auch am Wohlergehen von Honigbienen. Anders als noch vor 20 Jahren liegt der Fokus dieser NeuimkerInnen nicht mehr in der Haltung ertragsstarker Völker. Im aktuellen Bio-Trend wird vielmehr Wert gelegt auf eine ökologische, naturnahe und artgerechte Imkerei. Konventionelles und intensives Imkern sind „out“, extensive Bienenhaltung ist „in“.

Verschiedene Aktionen bedienen diese Strömung: So „summte“ zunächst „Berlin“, inzwischen heißt es „Deutschland summt“. Die „Stadtimkerei“, die Bienen auch auf Balkonen und Hausdächern hält, boomt. Neue Buchtitel sowie Internetportale wie „freethebees“ versprechen vitalere und gesündere Honigbienen, sobald diese aus der „Massentierhaltung“ entlassen werden. Unterstützung finden diese Strömungen in vereinzelten Studien, die der aktuell in Deutschland gehaltenen Honigbiene „Überzüchtung“ sowie Probleme mit „ausgeräumten Kulturlandschaften auf dem Lande“ bescheinigen.

Unterzieht man wildlebende Bienenvölker sowie neue Haltungsformen in Bienenkiste, Bienenbox, Einraumbeute, Bienenbäumen oder Kugelbeute einer wissenschaftlichen Prüfung, so zeigt sich:

  • Seit Einführung der Milbe Varroa destructor fehlen seriöse Belege für dauerhaft wildlebende Bienenvölker.

  • Eine „wesensgemäße“ bzw. „naturnahe“ Bienenhaltung mit Verzicht auf Rähmchen, Mittelwand, Absperrgitter, Bienenflucht und Schleuder, auf schwarmfreie Völkerführung, auf Entfernen von übermäßiger Drohnenbrut, auf gezielte Völkervermehrung mit Königinnenaufzucht und auf einen geordneten Wabenbau stellt Imker und damit die Honigbienen vor elementare Probleme mit Wildbau, ungezügelter Varroavermehrung, Hunger und mangelnder Wabenhygiene.

  • Die Haltung dauerhaft gesunder, sanftmütiger, vitaler (und damit auch ertragsstarker) Bienenvölker ist bei Nutzung moderner Techniken und unter Beachtung einiger elementarer imkerlicher Eingriffe sowohl dem unerfahrenen Einsteiger als auch dem am Honigertrag orientierten Erwerbsimker möglich.