Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696240
Symposien
S41 Spezielle Patientengruppen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Suchtbehandlung im Pflegekontext: Pflegestandards und Sensibilisierung erforderlich

C Henning
1   Otto-Friedrich-Universität, Bamberg
,
B Schwarz
2   Stadtmission Nürnberg e. V.
,
E Metzner
2   Stadtmission Nürnberg e. V.
,
J Wolstein
1   Otto-Friedrich-Universität, Bamberg
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Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Einleitung Missbrauch und Abhängigkeit von Medikamenten und Alkohol ist bei älteren Menschen in Pflegeeinrichtungen erhöht. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung zu Alterssymptomen oder Krankheitsbildern wie z. B. Demenz ist schwierig. Eine Behandlung ist jedoch auch im hohen Alter durch verhaltenstherapeutische Interventionen oder kontrolliertes Trinken effektiv. Diese kann nur stattfinden, wenn das Pflegepersonal sensibilisiert und ein professioneller Umgang gewährleistet ist. Hierzu gehören eine offene persönliche Einstellung und Pflegestandards innerhalb der Einrichtungen, welche konkrete Verfahrensanweisungen beinhalten. Beides wurde im Rahmen des Projekts Suchtgefährdete Alte Menschen (SAM), welches Suchtberatung und Altenpflege vernetzt, erhoben.

Methode Ermittelt wurden die Daten im Selbstauskunftsverfahren mittels offener Fragen und dem Drug and Drug Problems Perceptions Questionnaire (DDPPQ; Watson, Maclaren & Kerr, 2006). Letzterer wurde ins Deutsche übertragen und Faktoren mittels Hauptkomponentenanalyse (Varimax-Rotation) extrahiert. Statistische Analysen erfolgten mit SPSS und MAXQDA Plus 2018.

Ergebnis Es wurden 118 Pflegende (M = 41.7 Jahre, SD=12.9) befragt, welche die Prävalenz suchtmittelgefährdeter oder abhängiger Patienten auf 27% geschätzt haben. Konkrete Handlungsempfehlungen waren bei 82% nicht vorhanden. Beim DDPPQ wurden sechs Faktoren extrahiert (Cronbachʼs α=.54 – .90): Angemessenheit der Rolle (M = 3.9, SD=1.3), Arbeitszufriedenheit (M = 4.5, SD=1.2), Interesse und Bereitschaft (M = 3.9, SD=1.3), Unterstützung (M = 5.0, SD=1.5), rollenbezogener (M = 5.7, SD=1.3) und aufgabenbezogener (M = 5.3, SD=1.3) Selbstwert. 97% der Teilnehmer äußerten Fortbildungswünsche insbesondere beim Umgang mit dieser Patientengruppe. Es fühlten sich 15% der Teilnehmer vornehmlich durch mangelnde Kooperation und Aggressionen überfordert.

Diskussion Pflegestandards bezüglich einer Suchtproblematik lagen bei einem Großteil der Einrichtungen nicht vor. Dementsprechend zeigten sich Unsicherheiten und Fortbildungsbedarf vorweg bezüglich des direkten Umgangs mit den Betroffenen. Dies spiegelte sich durch eine vergleichsweise niedrige Ausprägung des Faktors Angemessenheit der Rolle wider, welcher Wissen über Risikofaktoren, Beratungskompetenz oder Fachkenntnisse beinhaltet. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Vernetzung von Suchtexperten und Pflegeeinrichtungen wie im Projekt SAM notwendig ist, um die Versorgung und Behandlung dieser speziellen Patientengruppe zu gewährleisten.