Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696183
Symposien
S26 DG SPS-Symposium ‚Sucht in ethischer Perspektive‘
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ethische Aspekte der Arbeit mit Angehörigen Suchterkrankter

G Bischof
Universität zu Lübeck
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Einleitung Die Schädigungen Dritter durch Suchtmittelkonsum nehmen nach Experteneinschätzungen bei verschiedenen Suchtstoffen ein den Folgen auf die Betroffenen vergleichbares Ausmaß ein. Während in der Suchtkrankenhilfe die Belange Angehöriger allmählich anerkannt werden, sind Angebote oft konzeptionell und strukturell eingeschränkt. Der Vortrag diskutiert, inwiefern in der Angehörigenarbeit implizite, zumeist nicht reflektierte ethische Fragen bedeutsam sind.

Methode Ausgehend von Studien Belastungen und Perspektiven Angehöriger Suchtkranker BEPAS sowie Positionspapiere und Leitlinien zu Angehörigen Suchtkranker POLAS erfolgt zunächst eine Bestandsaufnahme des Behandlungsbedarfe und bestehender struktureller Barrieren sowie eine Einordnung nach dem Stress-Strain-Coping-Support-Modell von Orford et al. Dieser Forschungsstand wird vor dem Hintergrund der Prinzipien der biomedizinischen Ethik nach Beauchamp und Childress bewertet.

Ergebnisse Qualitative Studien legen nahe, dass ein zentraler Aspekt des Leidens Angehöriger Folge der interpersonellen Bindung an die suchtkranke Person ist. Darauf aufbauend erweist sich der Prozess der Zielfindung in der Angehörigenarbeit als ungleich komplexer gegenüber der Behandlung klar umrissener Erkrankungen. Empirische Studien zeigen zugleich eine geringe Erreichung Angehöriger durch das Suchthilfesystem, welches strukturell durch unzureichende Berücksichtigung der Situation Angehöriger in Versorgungspolitischen Referenzwerken und einer unzureichenden Refinanzierung entsprechender Angebote in Deutschland bedingt zu sein scheint. Aus ethischer Perspektive ist eine strukturelle Verletzung des Prinzips der Gerechtigkeit sowie bezogen auf die vorhandenen Konzepte ein Spannungsverhältnis zwischen den Prinzipien des „Wohltuns“ (beneficence) und dem Prinzip des Respekts vor der Autonomie zu beobachten.

Diskussion Die derzeitige Versorgungssituation Angehöriger Suchtkranker ist in ethischer Hinsicht als prekär zu bezeichnen. Ergänzend zu einer Ausweitung des vorhandenen Angebotes mit Blick auf evidenzbasierte Behandlungskonzepte bedarf die Angehörigenarbeit einer Explikation ethischer Fragestellungen.