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DOI: 10.1055/s-0039-1694633
Innovative Neurotechnologien für schwere erworbene Hirnschädigungen: Empirische Belege für soziale und ethische Prinzipien im Forschungskontext
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
23. August 2019 (online)
Einleitung:
Menschen mit schweren erworbenen Hirnschädigungen können häufig keine klassischen Wege der verbalen und nonverbalen Kommunikation nutzen. Innovative, nichtinvasive und portable Gehirn-Computer-Schnittstellen, basierend auf Elektroenzephalografie (EEG), versprechen, motorunabhängige Kommunikation zu trainieren und Teilhabe wiederherzustellen. Entsprechende Forschungsprojekte werfen soziale und ethische Fragen auf.
Methoden:
Qualitative Studien zu ethischen, rechtlichen und sozialen Implikationen, die in einer spezialisierten Pflegeeinrichtung durchgeführt wurden, zeigen auf, wie die Interessen der Probandinnen und Probanden, denen klassische Möglichkeiten zur Interessensbekundung verschlossen bleiben, gewahrt werden. Die Interviewstudien, die im Rahmen der Entwicklung einer Gehirn-Computer-Schnittstelle entstanden, belegen Probleme und Lösungsansätze dafür, wie im Forschungskontext soziale und ethische Prinzipien beachtet werden können.
Ergebnisse:
Neurotechnologische Testungen an nichteinwilligungsfähigen Personen stellen alle Beteiligten vor soziale und ethische Herausforderungen. Das Krankheitsbild von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen bedeutet, dass Betroffene Interessen und Bedürfnisse nicht selbstständig artikulieren können. Im Umgang mit Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen haben sich zwei Lösungswege zur Problembewältigung etabliert: (1) Generalisierbare Lösungansätze, wie informierte Einwilligung, helfen rechtlichen Betreuungen, stellvertretende Interessensbekundungen rechtswirksam zu formulieren. Information und Aufklärung sind hierfür ausgesprochen wichtig. (2) Spezifische Lösungansätze, wie alltägliche Routinen des sozialen Miteinanders von Pflegenden und Pflegebedürftigen, sichern die Einhaltung ethischer Prinzipien wie Fürsorge und Nicht-Schaden. Werden diese auch im Kontext der neurotechnologischen Forschung berücksichtigt, steigt die Akzeptanz der Bezugspersonen der Betroffenen gegenüber dem Technologieeinsatz.
Diskussion:
Die Nutzung von Gehirn-Computer-Schnittstellen bei schweren erworbenen Hirnschädigungen kann potenziell Kommunikation und Teilhabe fördern. Soziale und ethische Kontexte sollten berücksichtigt werden, um die Forschung daran verantwortlich zu gestalten, wofür sich generalisierbare und spezifische Lösungsansätze empirisch identifizieren lassen.